Gestern spontan im Kino gewesen und weil uns nichts besseres einfiel, haben wir uns für Roland Emmerichs Film „White House Down“ entschieden. Oder wie Kollege L. es ausdrückte: Für den Film von Roland Emmerich in seiner aktuellen Fassung. Es geht um einen Ex-Soldaten, der jetzt einen Abgeordneten schützt und den Job eher langweilig findet. Trotzdem verliert er darüber den Draht zu seiner 11-jährigen Tochter Emely, von deren Mutter er sich vor Jahren scheiden ließ. Sein großes Ziel: Im Secret Service arbeiten. Er bekommt die Chance auf ein Vorstellungsgespräch incl. Passierschein für seine Tochter, fährt mit ihr ins Weiße Haus, verkackt das Vorstellungsgespräch und entscheidet sich exakt dann an der Führung teilzunehmen, als sich ein Söldnertrupp anschickt, das Weiße Haus einzunehmen. Der Rest ist dann Emmerich-Geschichte: Viel Geballer, markige Sprüche, Vater und Tochter werden getrennt und beim Versuch sie zu finden stolpert er in die Rolle des heldenhaften Präsidentenretters, das Weiße Haus wird größtenteils zu Kleinholz verarbeitet und „jemand“ versaut mit der Präsidentenlimousine ziemlich gründlich den Rasen davor.
Wie immer bei Filmen von Roland Emmerich zuckt meine rechte Hand spätestens nach 45 Minuten zum zwanghaften Dauersalutieren und ich möchte auch Stunden nach dem Kinobesuch noch alle Fragen mit „Ja, Sir, Mr. President, Sir“ beantworten. Vermutlich könnte kein amerikanischer Regisseur einen so derartig von Pathos triefenden Film drehen und danach weiter ernstgenommen werden. Dafür braucht es einen echten, amerikanischen Helden, Verzeihung, Roland Emmerich.
Die Geschichte ist so klischeetypisch, dass ich die an dieser Stelle mal gar nicht so sehr kritisieren möchte: Zerrüttetes Vater-Tochter-Verhältnis, sie elf und trotzig, er überfordert und im Moment der Gefahr, im Angesicht des Todes wachsen beide unabhängig voneinander über sich hinaus und retten zuerst das Abendland und dadurch auch sich selbst. Die beiden Twists im Plot könnten vorhersehbarer kaum sein, aber ich will nicht spoilern, das macht Emmerich schon selbst gründlich genug. Bleiben die Logiklöcher, das haken wir mal unter „Dramaturgische Notwendigkeit“ ab.
Was mich allerdings kolossal genervt hat, ist die unglaublich überzogen coole Reaktion der 11-jährigen Emely auf den Anblick waffenstarrender Söldner mit einem nicht unerheblichen Aggressionpotential und Dutzender kaltblütig abgeknallter Sicherheitskräfte: Anstatt wie jeder normale Mensch so schnell wie möglich in die vermeintliche Sicherheit irgendeines Zimmers zu flüchten, dort einen gepflegten Nervenzusammenbruch zu erleiden und letztlich vermutlich erschossen zu werden, schleicht dieses 11-jährige Mädchen hinter den Terroristen her, filmt – zwar stark verängstigt, aber unbemerkt – u. a. den Haupttäter und liefert sendefähiges HD-Material, das in der Folge von 700 Mio. Menschen auf der ganzen Welt gesehen wird, aber letztlich nicht wirklich was zur Story beiträgt. Abgesehen davon ist Emely Verhalten natürlich auch genretypisch und keine Emmerisch’sche Erfindung; realistische Maßstäbe an die Psyche der Menschen in solchen Filmen darf man nun wirklich nicht anlegen. Der einzige, der wirklich realistisch reagiert und tatsächlich einen Nervenzusammenbruch erleidet, ist übrigens ein nerviger Fernsehjournalist und der wird darüber zur Lachnummer.
Völlig überzogen allerdings ist die Schlusssequenz: Alle halten den Präsidenten für tot, der Vizepräsident ist bei einem Luftschlag auf die Airforce One umgekommen und sein Nachfolger ordnet als erstes einen Luftschlag auf das Weiße Haus an, von wo aus die Terroristen gerade dabei sind, die Kontrolle über das US-Atomwaffenarsenal zu übernehmen und Ziele vor allem im Iran auswählen. Mit dem Luftschlag soll das abgewendet werden, doch dazu kommt es nicht, weil der feine Herr Ex-Soldat mit einem Geländewagen durch die Wand des Oval Office fährt und den Oberbösen mit einer auf dem Dach montierten Maschinenkanone ausschaltet. Trotzdem sind ja aber die Bomber unterwegs und es sind nur noch weniger als 60 Sekunden Zeit, um den Angriff abzuwenden. Also rennt Emely raus, schnappt sich die Präsidentenfahne und schwenkt sie auf dem Rasen des Weißen Hauses. Was passiert? Eine aufgeregte Reporterin ruft ins Mikrofon „Wir haben hier offenbar ein kleines Mädchen, das versucht den Angriff zu verhindern“ und die Bomberpiloten brechen den Angriff selbstständig ab – der Moment im Film, der mir körperliche Schmerzen im Vernunftsektor meines Gehirns bereitet hat.
Schade für einen Film dieser Größenordnung fand ich die eher mittelmäßigen CGI-Effekte, vor allem im Fall jedes einzelnen Helikopters im Film und den viel zu offensichtlichen Einsatz des Green Screens gerade in den Szenen mit vielen Menschen vor dem Weißen Haus; gerade das fällt mir sonst nicht so deutlich auf. Wer darüber und über die Emmerich-Marotten hinweg sehen kann, der wird sich sicher hervorragend mit „White House Down“ amüsieren können.