Wie bereits angekündigt habe ich am Sonntag den Blauen Weg ausprobiert. Laut Pressetext ein Weg, der die maritime Geschichte Kiels beleuchtet und der wahlweise zu Fuß oder mit dem Rad oder sonstwie bewandert werden darf und soll. Die Lokalpresse hat groß und breit berichtet, es wurden Fördergelder aus Brüssel beantragt und überwiesen und der Blaue Weg fügt sich ein in die Erlebnistour Ostseeküste.
Doch was alle Berichterstatter und auch die Stadt Kiel nirgends schreiben: Wie lang ist der Blaue Weg denn nun? Und wie ist er ausgeschildert? Kann man ihm mit dem Rad gut folgen? Fragen, die man am besten im Selbstversuch klärt. So wie ich am Sonntag.
Vorher noch kurz die Ausrüstung checken: Werkzeug für’s Fahrrad, Proviant, Wasser und den Radiostecker für’s Handy. Im Kopf noch mal einen potentiellen Soundtrack für die Tour durchgegangen und neben dem obligatorischen „Bicycle Race“ von Queen drängte sich auch relativ schnell Jammerlappen Xavier Naidoo ins Gedächtnis („Dieser Weg“). Mein persönlicher Favorit: Die Prinzen mit „Fahrrad“. Schönes Ding und so passend.
Eins gleich vorweg: Die große Frage nach der Entfernung kann ich nach der Tour auch nicht klären, weil ich keinen Tacho an meinem Fahrrad habe. Aber eins ist klar: Bei gutem Wetter werde ich die Tour sicher noch mal im Frühjahr machen und bis dahin habe ich sicher etwas zum Entfernung messen. Versprochen.
Ich habe den Pfad von hinten aufgezäumt, also an der letzten Station angefangen. Warum weiß ich nicht genau, vielleicht weil diese ein bisschen näher an meiner Wohnung liegt und ich daher nur etwa 10 km zurücklegen muss, um die „Blut, Schweiß und Tränen-Tour 2007“ zu beginnen.
Die erste Station („Fischereiwirtschaft“) habe ich sehr gut gefunden. Ich hatte das Schild am Fähranleger Neumühlen vermutet und lag damit auch sehr richtig. Offizieller Start meines Projekts: 10.53 MESZ. Ich möchte allerdings anmerken, dass ich zum Zeitpunkt des Starts bereits etwa 10 km geradelt war und bereits einen leichten Schmerz in der Poperze spürte. Das jedoch nur der Vollständigkeit halber.
Der Blick von meiner ersten Station aus versöhnte mich ohnehin gleich wieder mit der Welt: Links der Seefischmarkt, dahinter der Wellingdorfer Sporthafen und noch etwas weiter die Förde und das Landeshaus.
Auf dem Weg zu meiner zweiten Station („Meeresforschung“) einer dieser Momente, die einem die Gänsehaut über den Rücken treiben: Ich fürchte nämlich, dass der Partnerlook zurückkommen könnte. Was man normalerweise nur von Ehepaaren mittleren Alters und (für meinen Geschmack) immer noch zu vielen Zwillingspaaren kennt, habe ich jetzt auch an Vater und Sohn gesehen. Festes Schuhwerk, Jeans und eine schwarz-weiß karierte Flanelljacke. Ich traue mich ja nie, Leute zu fotografieren die aussehen als wären sie stärker und vor allem schneller als ich, sonst gäbe es hier den Bildbeweis.
Trotz langer Suche und kurzem Navigationsstop im Büro konnte ich jedoch die Tafel „Meeresforschung“ nicht finden. Ich entschied mich daher, noch einen kurzen Abstecher in den Wellingdorfer Sporthafen zu machen.
Den Weg zum Werftpark, meiner dritten Station, kannte ich ja nun schon zur Genüge, denn das ist ja im Prinzip der Weg zur Arbeit bzw. nach Hause. Nur bin ich bislang noch nie im Werftpark gewesen. Der gefällt mir richtig gut, schon gleich die zweite Perle auf meiner noch jungen Tour. Das Schild „Werftpark“ habe ich auch sehr schnell gefunden. Leider ist es nicht beschriftet, sodass die Information zu diesem Wegpunkt einzig im Internet abrufbar ist.
Wieder zurück auf die Werftstraße und durch die KaiCity über die Hörnbrücke zum Schild „Fördeschifffahrt“. Das hatte ich schon ein paar Tage vorher zufällig gesehen, von daher auch hier keine lange Suche, kurzer Fotostop und dann weiter Richtung Bootshafen.
Natürlich nehme ich den wasserseitigen Weg am Sartori & Berger-Kontor vorbei und überquere beim Schifffahrtsmuseum die Straße. Die Schilder „Bootshafen“ (Ja, es sind zwei) sehe ich schon von der gegenüberliegenden Seite aus, dafür finde ich „Kreuzfahrer in Kiel“ nicht, das laut der Übersichtskarte (PDF) ganz in der Nähe sein soll.
Weiter geht es zu „Schloss und Seegarten“ doch auch hier ist nichts zu finden, wobei sich durch spätere Recherche herausgestellt hat, dass ich an der falschen Stelle, nämlich am Schloss und nahe des Museums, gesucht habe. Hier zeigt sich ein großes Problem der Route: Sie ist kein bisschen ausgeschildert.
Sicher werden die wenigsten Touristen den kompletten Weg mit dem Fahrrad zurücklegen wollen, sondern viel mehr die wirklich gut umgesetzten Informationen und die i. d. R. tolle Aussicht genießen. Trotzdem: Das Ding heißt „Erlebnispfad“, die Stadt ruft dazu auf, dem gesamten Weg zu folgen, aber sie bietet nur eine eingeschränkte Möglichkeit. Mehr dazu am Ende des Berichts in der Zusammenfassung.
Am Schild „Howaldt-Werft“ wäre ich beinahe vorbei gefahren. Amüsiert denke ich dabei darüber nach, was ich schreiben würde, wenn ich einen Werbeprospekt für die Schilder zu texten hätte: „Die Info-Tafeln fügen sich elegant ins Stadtbild ein.“ Auf deutsch: Die Schilder fallen nicht auf.
Das Landeshaus habe ich zwei mal umrundet und – hol’s der Deibel – auch hier das Schild nicht gefunden. Ich denke, dass vielleicht der Computer-Terminal an der Kiellinie das Schild ersetzen soll. Aber weil da gerade eine Menge los ist, schaue ich doch noch mal auf der Landseite nach, ob da nicht vielleicht doch und erfahre erst beim Schreiben dieses Artikels, dass am Landeshaus gar kein Schild steht, obwohl es auf der Übersichtskarte eingezeichnet ist.
Weil’s mich gerade so anlacht, nehme ich mal Krusenkoppel und Düsternbrooker Gehölz in Augenschein, genieße die Aussicht auf die Förde und begebe mich dann wieder auf den Düsternbrooker Weg um nach „Düsternbrook & Bellevue“ zu suchen. Hier ist die Hölle los, unheimlich viele Leute sind dort unterwegs und ich muss vor dem Schild sogar Schlange stehen. Das fällt auf: An den touristischen Sammelpunkten werden die Schilder gut angenommen und interessiert gelesen.
Am „Marinestützpunkt“ bin ich wieder vorbei gekachelt und habe meinen Fehler erst beim Flandernbunker bemerkt. Dieses spezielle Schild hätte ich quer zum Bürgersteig aufgestellt.
Oben auf der Kanalbrücke platzen meine Oberschenkel vor Freude. Das Mistding ist doch steiler als man denkt. Aber die Aussicht ist umwerfend. Die Poperze schmerzt mittlerweile nur noch wenn ich lache.
Unten angekommen habe ich mir die Zeit genommen, ein paar Fotos vom Kanal zu machen und war dann ziemlich zeitgleich mit der Color Fantasy am Holtenauer Leuchtturm. Wie das Bild vom Schiff zeigt brauche ich dringend eine anständige Kamera, auf Dauer geht die Handy-Cam gar nicht.
Nach einer kurzen Pause stand ich vor dem größten Problem meiner Tour: Laut Karte sollte es am Wasser weiter gehen bis zum Schild „Lindenau Werft“. Obwohl ich eine gute Stunde gesucht habe, habe ich doch keinen Weg gefunden, der vom Holtenauer Leuchtturm wasserseitig am Flughafen Kiel vorbei führt.
Also an der Schnellstraße längs und durch Friedrichsort. Vor dem Tor der Lindenau Werft wieder kein Schild. Hätte mich an der Stelle auch sehr gewundert, als irgendwie wieder runter ans Wasser und nach der Festung Friedrichsort Ausschau halten. Am Wasser habe ich dann mehr durch Zufall als alles andere das Schild zur Lindenau Werft gefunden und noch kurz die Aussicht genossen, bevor ich mich wieder meinem Weg zuwendete.
An eine Weiterfahrt am Wasser, wie es die Karte vorsieht, war weiterhin nicht zu denken, denn in wenigen hundert Metern Entfernung sah ich schon den Zaun des Caterpillar-Betriebsgeländes.
Wieder mehr durch Zufall als durch echtes Wissen oder Karteninformation fand ich dann auch das Schild „Festung Friedrichsort“. Eine kurze Toilettenpause bot sich an, zumal auch die Poperze mal langsam nach ein wenig Entspannung verlangte. Es war ordentlich Frachterverkehr in Richtung des Nord-Ostsee-Kanals, was mich wieder zu dem Ausruf „Ich brauche echt mal eine anständige Kamera!“ veranlasste, bevor ich mich in Richtung der letzten Station meiner Reise auf machte.
Der Weg vom Falkensteiner Strand nach Schilksee ist eigentlich nichts für Leute mit Trekkingrädern. Allenfalls Mountainbiker kommen hier auf ihre Kosten, aber vielleicht ist ja auch das der Grund, warum hier auf den Schildern nur Fußgänger und keine Radfahrer abgebildet sind. Die Karte sagt aber einmal mehr: „Fahr am Wasser lang, Dicker.“ Läuft.
Um 16.05 Uhr MESZ komme ich also nach gut fünf Stunden (incl. zahlreicher Pausen, Schilder und Weg suchen) in Schilksee an. Ich genieße den Blick über den Olympiahafen und über die Außenförde, die hier schon sehr ostseeige Züge annimmt, wenn Du mich fragst.
Dazu gibt’s eigens mitgebrachte Pasta mit Tomatensauce und einige kurze Telefonate. Der Wind hat aufgefrischt und die Sonne steht schon tief. Also Handschuhe an und wieder rauf auf’s Fahrrad. Ich verwerfe den Gedanken auf dem Rückweg noch schnell ein bis zwei übersehen geglaubte Schilder aufspüren zu wollen. Der Wunsch nach Couch und Dusche ist stärker. Neben der Poperze protestiert nun langsam auch die Patella über zu große Belastung, aber da muss sie durch. Für den Rückweg an den Südfriedhof brauche ich ziemlich genau zwei Stunden.
Die Tour hat sich wirklich gelohnt. Ich hatte einen schönen und ereignisreichen Sonntag und habe so viele Bilder wie noch nie mit dem Handy gemacht. Ich habe einiges über Kiel und seine Geschichte gelernt und dabei einige sehr schöne Ecken gefunden.
Was mir gefehlt hat, war eine eindeutige Beschilderung der Route und vor allem der einzelnen Schilder. Die Idee, den Weg im Internet abzubilden und erlebbar zu machen finde ich im Ansatz schon wirklich gut. Es macht Spaß, sich die Wegpunkte im Netz anzusehen und die Informationen der Tafeln nachlesen zu können ist sicher nicht falsch. Aber was offenbar völlig vergessen wurde ist der Radfahrer, ist der Wanderer, der dem Weg folgen möchte. Wer sich nur die Kartenausschnitte aus dem Internet ausdruckt, hat direkt zwei Probleme: Nämlich die Übersichtskarte mit 16 Stationen (incl. Leuchtturm Bülk) und die Karte, die zur Navigation auf der Website benutzt wird mit 14 Stationen.
Keine der beiden Karten kann eingezoomt werden, dazu muss man schon wieder den Online-Stadtplan Kiels bemühen. Unterwegs geht das nicht. Ich habe es an anderer Stelle schon mal erwähnt: Wenn man nicht ohnehin weiß wo die Tafeln stehen, kann man dem Blauen Weg nicht folgen. Ungenaue Karten, fehlende Beschilderung und meines Erachtens zu unauffällige Schilder nehmen dem Weg eine Menge Potential.
Warum zum Beispiel sind die Schilder auf einer hellgrauen Grundfläche angebracht? Könnte die nicht leuchtend blau sein oder sonst irgendwie auf sich aufmerksam machen? Wie kann es sein, dass jemand der dem Blauen Weg bewusst folgt und sich aufmerksam nach den Schildern umsieht, vier von 15 Schildern nicht findet oder übersieht? Da könnte noch nachgebessert werden.
Trotzdem: Eine sehr schöne Tour, die man grundsätzlich schön fahren kann und wenn man so clever ist, in Schilksee oder in Bülk ein Begleitfahrzeug zu postieren, überstehen es auch Poperze und Patella ohne große Unbill.
Nachtrag: Meine Erlebnisse wurden von der Stadt Kiel genutzt, um die Übersichtskarte zumindest im Bereich um den Holtenauer Flughafen zu verbessern. Dort wird jetzt eindeutig darauf hingewiesen, dass es keinen wasserseitigen Weg gibt.