Gelesen: "Payoff" von Christina Haubold

Bücher über Radiomenschen gibt es viele. Es gibt Fachbücher zu so ziemlich allen Themenbereichen des Radios. Technik, Moderation, Nachrichten, Organisation, Führung, Analysen und eben, leider, auch Romane. Möglicherweise lese ich zuviel Fachbücher über’s Radio und zu wenig Prosa, aber bis jetzt ist mir noch kein wirklich guter Roman unter gekommen, der im Umfeld eines Radiosenders spielt. Traurigstes Beispiel dafür ist ganz klar „Tödliche Zugabe„, bei dem Radio zwar immer nur am Rande stattfindet, der aber in sich so furchtbar schlecht ist, dass es mir auch jetzt noch die Nackenhaare aufstellt.

Nun bin ich also gebranntes Kind und bestellte mir trotzdem Christina Haubolds „Payoff“. „Payoff“ ist per se ein ganz toller Titel für ein Buch über das Leben einer Radiomoderatorin, denn unser On Air-Leben dreht sich oftmals fast ausschließlich um den letzten oder den mit Spannung erwarteten nächsten Payoff, also die Auflösung des aktuellen Gewinnspiels mit möglichst viel emotionalem Jubel oder zumindest Geschrei am anderen Ende der Leitung, das danach klingt. Ganz ehrlich: nichts ist schlimmer und unbefriedigender, als ein Gewinner der auf „Sie haben gerade 100.000 Autos und 1 € gewonnen!“ mit „Mensch, vielen Dank!“ antwortet.

Ich denke, dass der Roman deswegen „Payoff“ heißt. Ein anderer Grund ist mir beim lesen nicht aufgefallen. Klar kommt auch im Buch ein Payoff vor und klar geht er ganz furchtbar in die Hose, aber das ist nicht unbedingt der Höhepunkt der Story. Tatsächlich habe ich keinen echten Höhepunkt im Spannungsbogen ausmachen können. Das mag an mir liegen. Vielleicht steckt aber nur zu viel Radio in Christina Haubold und vielleicht ist „Payoff“ auch einfach nur genau so glatt und vorhersehbar wie eine typische Morningshow, die Herr Matuschik hier so herrlich veralbert.

Um das hier mal ein wenig konstruktiver zu gestalten: Ich mag Haubolds Schreibstil. Das Buch liest sich flüssig weg, ich stolperte lediglich über die allzu überzogenen Rollenklischees. Der ältliche Morgenmoderator, den eigentlich keiner mehr haben will, der aber aufgrund seiner Beliebtheit beim Hörer trotzdem gehalten wird. Nie ganz da, mit einem Reizdarm geschlagen und ohne Script vom Redakteur völlig aufgeschmissen. Ja, so was gibt es. Ich habe auch schon Moderationstexte von jemandem zur Überarbeitung zurückbekommen mit den Worten „Bitte Satzzeichen einfügen, sonst weiß ich nicht wo ich atmen muss.“ – bei einem Ramptalk von anderthalb Sätzen. Ich kenne auch Moderatoren, denen ihre Sendung mittlerweile so schnurzegal ist, dass sie lieber Zeitung lesen, während der diensthabende Redakteur „fährt“. Und dann natürlich Arno, der gerüchteweise nie vor sieben im Sender ist, aber immer schon ab fünf auf Sendung geht. Es gibt auch die unterbezahlten Redakteure -gern auch „Producer“ genannt – die viel zu viel arbeiten und dafür viel zu wenig Anerkennung bekommen. Es gibt auch die kleinen Programmchefs, die abgehobenen Musikredakteure und die Nachrichtenleute, die außer Nachrichten nichts hören und sehen in der Welt.

Das alles mag zwar im Radio sehr weit verbreitet sein und für jemanden, der so lange in so vielen unterschiedlichen Häusern Radio gemacht hat wie es Christina Haubold offenbar hinter sich brachte, dann kann das vielleicht als Quintessenz durchgehen. Mir reicht das aber irgendwie nicht. Denn es gibt trotz all der komischen Zustände beim Radio, bei denen es eigentlich immer um Geld oder um persönliche Befindlichkeiten geht, auch immer noch die Radioleute, die aus Überzeugung Radio machen, weil sie das Medium lieben. Davon gibt’s wirklich viele; für die ist Radio nicht nur ein Job auf dem Weg ins Fernsehen oder weil sie schon immer „was mit Medien“ machen wollten. Es gibt immer noch Leute, die Radio leben und ich hätte es schöner gefunden, wenn sich Haubold die Mühe gemacht hätte, solche Leute zu finden und zu portraitieren.

Je länger ich darüber nachdenke, sind es wohl gar nicht die überzogenen, stereotypen Figuren oder die flache Handlung, die mich an dem Roman stört. Es ist die Bitterkeit, die aus jeder Zeile spricht. Vordergründig ist es natürlich die Ich-Erzählerin Sabine, die Hauptperson des Romans, die verbittert ist. Andererseits spürt man aber eben auch die Bitterkeit der Autorin, die einen Radiomacher befällt, der in einer dieser Tretmühlen gefangen ist. Die gibt es tatsächlich auch: Sender deren Programm von allen im Haus nur als lästige Unterbrechung der Werbung wahrgenommen wird. Das gibt natürlich niemand zu, aber na ja.

Es ist okay, sowas in einem Buch zu verarbeiten. Hier wird aber das reine Verarbeiten zusätzlich noch dadurch belastet, dass das Buch einige Sachverhalte immer auch für die große, wichtige Gruppe von Menschen auf der anderen Seite des Radioempfängers erklären muss. Täte Haubold das nicht, das Buch wäre um mindestens die Hälfte dünner und fände kaum eine Zielgruppe außerhalb der Branche.

Grundsätzlich also alles richtig gemacht: Macher kaufen das Buch, weil es um Radio geht; Hörer kaufen das Buch, weil es ihnen einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Die Macher legen es vielleicht schneller weg, weil sie ähnliche Themen auch im Gespräch mit den Kollegen bekommen, aber immerhin haben sie es gekauft. 🙂