Das ist auf so vielen Ebenen falsch!

Die Drosselkom redet sich die Netzdrossel schön.
Sie nennen es ‚Netz der Zukunft‘. Was man mit 75 GB pro Monat alles machen kann. (Quelle: Deutsche Telekom)

Die Deutsche Telekom informiert auf der obigen Infografik und der per Klick auf’s Bild erreichbaren Seite darüber, was das „Netz der Zukunft“ alles kann. Allein die Angabe „1.000 Websites aufrufen“ macht mich irre. 1.000 Websites im Monat, da muss ich überhaupt gar nicht mitzählen um zu wissen, dass das nicht reicht. Vor allem wenn man die Frage stellt, ob damit aufgerufene Websites gemeint sind oder die tatsächliche Anzahl der HTTP-Requests, die aufgrund von extern eingebundenen Inhalten wie Werbung, Youtube-Videos oder den zahlreich vorhandenen Tracking-Cookies durchaus enorme Zahlen erreichen können. (Jeder HTTP-Request ist technisch gesehen ein Seitenaufruf. Allein auf Jörn Schaars feiner Seite braucht es standardmäßig einen für die Seite, einen für die Statistik und jeweils einen für flattr- und Twitter-Button. Hinzu kommen ausgelagerte Fotos, eingebundene Amazon-Artikel und Youtubevideos. Auf großen Seiten von Zeitungen, Fernsehsendern, Facebook und Konsorten dürfte die Zahl der HTTP-Requests zweistellig sein.)

Analog verhält es sich mit den restlichen Punkten. Zwei Stunden Webradio am Tag, vier Stunden Gaming in der Woche – das klingt nach den berühmten 38,17 € pro Monat für Freizeit, Unterhaltung und Kultur im Hartz IV-Regelsatz. Fakt ist meines Erachtens: Die Volumenobegrenzen, die die Telekom für ihre Drossel anlegt, sind unrealistisch niedrig angesetzt. Ich habe mir als Telekom-Kunde kürzlich diesen Netzmanager runtergeladen, mit dem ich protokollieren kann, wie groß die Datenmenge ist, die bei uns monatlich so durch den Router geht. Ich werde entsprechend nachberichten.

Der viel wichtigere Punkt ist aber die drohende Gefahr für die Netzneutralität. Wenn die T-Drossel eingeschaltet wird, dann sind so genannte „Managed Services“ von der Volumenbegrenzung ausgenommen. Das ist zum Beispiel das Internetfernsehen T-Entertain und soweit ich weiß auch die eigene Video-on-Demand-Klitsche Videoload. Dort gibt es aber nicht alles, was ich sehen will. Wenn ich mir bei Watchever oder LoveFilm einen Film mieten und in HD-Qualität angucken möchte, dann bin ich schon ziemlich gekniffen, weil das meinen Volumenzähler ausschlagen lässt wie nichts Gutes. (Es sei denn natürlich, Watchever und Lovefilm lassen sich – gegen Geld – zu Managed Services machen, um das zu umgehen.) Daten aus der einen Quelle werden von der Telekom also anders behandelt, als Daten aus einer anderen Quelle. Irgendwann werden vielleicht Emails von t-online.de-Konten schneller zugestellt als welche von GMX, oder Mails über GMail mal zwei Tage lang gar nicht.

Das ist – zugegeben – noch ein ziemliches Horrorszenario, aber die technischen Möglichkeiten schafft sich die Telekom gerade. Viele Möglichkeiten etwas dagegen zu tun haben wir nicht, das Einzige was uns bleibt, sind Petitionen. Es gibt eine Petition, die zumindest den Punkt der Netzneutralität betrifft und die Stand jetzt etwas über 23.000 Mitzeichner hat. Bitte zeichne auch Du diese wichtige Petition!

Bei den Fragen nach der Drosselung der Bandbreite können wir Kunden nur mit den Füßen abstimmen. Das Problem daran: Die anderen Provider haben kaum eigene Leitungen und die „letzte Meile“ vom Verteilerkasten zum Hausanschluss, die gehört ohnehin der Telekom. Wenn die anderen Provider also nicht sowieso schon selber planen, DSL-Flatrates wieder abzuschaffen, dann wird die Telekom ihnen das über kurz oder lang vermutlich ins Heft diktieren.

Nachtrag: Gerade fällt mir noch ein wichtiger Fehler an dieser Infografik auf: Da fehlt zum Beispiel der Bereich „Upload“. Was ist denn mit Podcasts, die ich produziere? Videos, die ich vielleicht irgendwann bei Youtube einstellen will? Was ist mit den ganzen Familienfotos, die ich online archivieren möchte, damit sie nicht zu sehr von Festplattencrashes bedroht sind? 1 TB Speicherplatz für Fotos bei flickr ist total super, aber mit der Drosselkom kriege ich die ja nie voll. 😉

Update: Auf netzpolitik.org habe ich dieses Youtube-Filmchen gefunden, das die Problematik noch mal ein wenig illustriert:

8 comments on Das ist auf so vielen Ebenen falsch!

  1. Die 75 GB reichen vielleicht, wenn nur eine Person in einem Haushalt online geht. Wir sind eine Kleinfamilie mit 3 Personen. Wir erreichen regelmäßig mehr als 75 GB im Monat. dabei ist zu erwähnen, dass wir als auf dem Land Lebende bereits heute gebeutelt sind, da kein echtes Breitband verfügbar ist. wir haben einen 2000er Anschluß.

    Gesetzt den Fall wir hätten echtes Breitband mit 16K aufwärts: Wir müssten nicht mehr auf Youtube-Downloads warten, könnten endlich Web-Radio hören, würden tatsächlich Filme online streamen, behaupte ich nun einmal, dass wir auch die dreifache Volumenmenge erreichen werden, wenn nicht mehr. alles geht schneller, du bewegst dich schneller im Netz und rufst mehr Daten in kürzerer Zeit ab. Ergo sind 75 GB ein Witz!

  2. Was mich daran ziemlich ankotzt ist die Argumentation der Telekom à là „95% müssen für 5% Vielnutzer zahlen“. Erstens halte ich diese Zahlen für extrem an den Haaren herbeigezogen, und zweitens mag ich diese Art einfach nicht haben, diese „wir alle Steuerzahler füttern die faulen Hartzer mit durch“-Scheiße halt. Als wenn der DSL-Anschluss für die Wenignutzer günstiger würde, wenn die (angeblich) 5% heruntergedrosselt würden. Das geht schon allein logisch nicht zusammen (wieviel muss das denn sein, damit ein Wegfall dieser 5% eine spürbare Verbesserung gäbe?), und auf der zwischenmenschlichen Ebene ist es einfach eine ganz große Sauerei, Menschen gegeneinander auszuspielen.

    1. Letztlich funktioniert es mit der Internetnutzung ja so ähnlich wie mit den Krankenkassen. Auch da finanziert ein sehr großer Teil der Kunden mit wenigen Standardbehandlungen einen kleinen Teil mit vielen, aufwendigen Therapien. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, dass ich den Traffic von anderen mitfinanziere, die das Internet intensiver nutzen als ich es tue. Zumal wir laut den Fabrikanten von Industrial Scale-Routern und den betreibern von Backbones über ein- oder schlimmstenfalls niedrig zweistellige Centbeträge sprechen, die wohlgemerkt die Telekom bezahlt, das ist also der Einkaufspreis. Allein dass wir darüber überhaupt diskutieren müssen, nervt mich wie nichts Gutes.

  3. Was mich daran ziemlich ankotzt ist die Argumentation der Telekom à là „95% müssen für 5% Vielnutzer zahlen“. Erstens halte ich diese Zahlen für extrem an den Haaren herbeigezogen, und zweitens mag ich diese Art einfach nicht haben, diese „wir alle Steuerzahler füttern die faulen Hartzer mit durch“-Scheiße halt. Als wenn der DSL-Anschluss für die Wenignutzer günstiger würde, wenn die (angeblich) 5% heruntergedrosselt würden. Das geht schon allein logisch nicht zusammen (wieviel muss das denn sein, damit ein Wegfall dieser 5% eine spürbare Verbesserung gäbe?), und auf der zwischenmenschlichen Ebene ist es einfach eine ganz große Sauerei, Menschen gegeneinander auszuspielen.

    1. Letztlich funktioniert es mit der Internetnutzung ja so ähnlich wie mit den Krankenkassen. Auch da finanziert ein sehr großer Teil der Kunden mit wenigen Standardbehandlungen einen kleinen Teil mit vielen, aufwendigen Therapien. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, dass ich den Traffic von anderen mitfinanziere, die das Internet intensiver nutzen als ich es tue. Zumal wir laut den Fabrikanten von Industrial Scale-Routern und den betreibern von Backbones über ein- oder schlimmstenfalls niedrig zweistellige Centbeträge sprechen, die wohlgemerkt die Telekom bezahlt, das ist also der Einkaufspreis. Allein dass wir darüber überhaupt diskutieren müssen, nervt mich wie nichts Gutes.

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