Des Wahnsinns fette Beute

Ich habe schon mal auf einer der letzten pl0gbars davon erzählt: Ich habe ein leichtes bis mittelschweres Problem mit meiner Nachbarin. Beziehungsweise sie mit mir. Geht es nach meiner Nachbarin, bin ich nämlich eine fleischgewordene Lärmbelästigung. Hier mal ein paar Beispiele:

Wir stellen uns folgende Situation vor: 6 Erwachsene und ein Kind sitzen um einen Tisch und trinken Kaffee. Dabei wird sich unterhalten, gelegentlich geht jemand in der Wohnung umher und der Gastgeber besorgt von Zeit zu Zeit neue Getränke aus der Küche. Wenn das kein Grund ist, von unten mit dem Besen an die Decke zu klopfen und Sekunden später an der Tür des Gastgebers zu klingeln, um zu fragen ob man ihre Wohnzimmerlampe von oben herab demontieren wolle?

Überhaupt, wenn Gäste da sind, laufen Madame zur Höchstform auf. Gerade gestern war es mal wieder ganz besonders beeindruckend. Wir waren gerade fünf Minuten im Haus, setzten uns an den Esstisch und griffen zum ersten Getränk, als es von unten klopfte. Meine freundliche Nachfrage ergab letztlich nichts, denn das Gespräch drehte sich im Kreis. Wir würden immer so trampeln, dass die Gläser in ihrem Schrank wackelten, den Fernseher könne man gar nicht mehr hören und dass ich keinen Teppich hätte, grenze ja schon an eine Unverschämtheit. „Stellen Sie sich das mal vor, wenn ich den ganzen Tag einen Stuhl über den Holzfußboden ziehe, wie schnell werden mir denn da die Nachbarn von unten auf der Matte stehen?“

Schön auch, als unser Vermieter die Garage im Hinterhof an eine Gruppe jugendlicher Holstein-Fans vermietete und sie mich wenige Tage später im Treppenhaus mit der Frage „Herr Schaar, ist das Ihr Sportverein, der sich hier bei uns einnistet?“ abpasste. Lange Geschichte, die mit dem Vorwurf, sich illegal in der Garage aufzuhalten und der Androhung einer polizeilichen Identitätsfeststellung endete. Mein Vorschlag, zunächst mit dem Vermieter Rücksprache zu halten, führte dazu, dass er postwendend bei mir anrief, um zu erfragen, was denn bei uns los sei. Dabei habe ich immerhin erfahren, dass meiner Lieblingsnachbarin keine Beschwerde zu dämlich ist. Demnach hat sie sich auch schon über das benachbarte Altersheim beschwert, von dort sei es immer so laut.

Oder diese wahre Geschichte: Es ist Winter in Kiel. Die Dächer sind schneebedeckt und nach mehreren Wochen kommt es zu einem lang ersehnten Ereignis: Tauwetter. Frau H. klingelt bei mir, um zu fragen, ob ich Wasser aus dem Fenster schütte. Schwallartig kämen Unmengen von Wasser von oben, die an ihr Wohnzimmerfenster klatschten. Das sei ihr ja noch egal, aber das könne ja nicht angehen, wenn jemand vor dem Haus vorbei laufe, der würde ja ganz nass.

Ganz im Ernst, ich warte nur auf den Tag, an dem sie mich anguckt, den Kopf vorwurfsvoll zur Seite neigt und fragt: „Herr Schaar, reichern Sie im Keller Uran an?“

Tatsächlich beschäftigt mich diese Sache so sehr, dass ich demnächst meine Wohnung kündigen werde. Das hat zwar auch damit zuz tun, dass ich mit der Herzdame zusammenziehen möchte, aber das war eigentlich eher für den Spätsommer geplant. Ich habe einfach keine Lust mehr, bei jedem Besteckteil, das mir runterfällt, zusammenzuzucken und bei jedem unbedachten Schritt in der Wohnung fürchten zu müssen, dass von unten jemand klopft. Ein Schrítt, der mir nicht ganz leicht fällt, denn meine Wohnung bietet zumindest eine hervorragende Aussicht über die Dächer Kiels, ich kann am Rathausturn vorbei die Nikolaikirche und die Aufbauten der ein- und auslaufenden Fähren sehen. Außerdem hatte ich noch nie einen so sensationellen Vermieter, der Mann hat wirklich klasse.

Aber das hilft ja alles nüscht, ich möchte wieder eine Wohnung haben, in die ich bedenkenlos Gäste einladen kann und in der ich nicht das Gefühl haben muss, mich nicht frei bewegen zu können. Zumal es nicht so ist, dass ich Stepptänzer wäre. Oder täglich drei Stunden Schlagzeug übe. Oder Boule.

6 comments on Des Wahnsinns fette Beute

  1. Oh je, das liest man ja mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es gibt solche Menschen, die so hundsmiserabel gelaunt durchs Leben laufen und erst Ruhe geben, wenn jeder so übel drauf ist wie sie selbst. Wahrscheinlich nicht einmal dann, schließlich wäre ihr Lebensinhalt dahin. Es klingt so, als lebe die Frau einsam und allein und neide allen Menschen in unmittelbarer Umgebung, daß diese Freunde haben und heitere Zeiten mit ihnen verbringen. Normalerweise würde ich ja vorschlagen, sie einfach mal mit zum Kaffee zu laden oder ihr mal ein paar Frühlingsblumen mitzubringen, einfach so. Aber hier ist das Kind wohl schon zu tief im Brunnen. Und mit „Untervögelt, Frau Meier?“ will man ja auch nicht kommen.

    Wenn der Vermiter nicht vermitteln kann oder will, bleibt wohl wirklich nur der Auszug, wenn man seine Lebensqualität behalten und nicht irgendwann wegen dem absurdesten Geschiss vor Gericht landen will. Der Klügere gibt nach, und wer weiß, vielleicht findest Du ja mit der Herzdame eine tolle neue Wohnung mit Blick und neten Nachbarn. Ich wünsche es Dir jedenfalls!

  2. Mit dem Vermieter habe ich noch nicht darüber gesprochen. Ich bin jedoch sicher, das sie das schon mehrfach getan hat. Ich habe da allerdings auch gerade überhaupt keine Lust drauf, mich in irgendeiner Form auf sie zu zu bewegen. Das hält ohnehin nur bis zum nächsten Aussetzer. Dann beende ich mein Engagement hier im Haus lieber und fange was neues an. Das ist ohnehin besser. 🙂

  3. Oh man, das klingt ja richtig übel 🙁
    Bei exzessiven Parties, lauter Musik und nervendem Rumgeschreie kann ich solche Beschwerden ja noch verstehen – aber wenn die Frau sich sogar über ein ALTERSHEIM (in welches sie in ein paar Jahren womöglich selbst einziehen wird) beschwert, kann man als friedlicher Nachbar da wirklich nichts anderes machen, als auszuziehen. Von so jemandem würde ich mir auch nicht meinen Alltag vermiesen lassen…

    Viel Glück mit der neuen Wohnung! Auch, wenn der Ausblick von der alten (Wohnung) wirklich phänomenal klingt..es gibt ja auch noch genug andere, schöne Buden unter den Dächern Kiels 🙂

  4. oh wie schrecklich, wenn man deshalb ausziehen will, was für ein streß! nur gut, daß du es sowieso langfristig vorhattest. ich wünsche auch viel glück bei der wohnungssuche 🙂

  5. wenn man nicht selbst betroffen ist, liest sich das ganze wie ein loriot-sketch, bis auf den letzten absatz, da wirds dann nicht mehr lustig und ein auzug wohl irgendwie unumgänglich…
    vielleicht sollte ich unserern direkten nachbarn mal sagen, dass sie voll in ordnung sind, das hört man doch gerne und pflegt die gute nachbarschaft, nach dem motto: „weiter so?!“ 😉
    ich drück dir und deiner herzdame die daumen, dass ihr was richtig schönes findet und es dann ohne weiteren stress! 🙂

  6. @ Till: Die Sache mit dem Altersheim sorgt immer wieder für eine gewisse Beruhigung. Das ist zu so etwas wie meinem Mantra geworden. „Sie beschwert sich sogar über das Altersheim, sie beschwert sich sogar über das Altersheim.“ 😉
    @ Gesche: Besten Dank auch. Das wird schon klappen.
    @ Nupsi80: Ich kann ja selber drüber lachen, wenn ich davon erzähle. Nur wenn Madame mal wieder mit hochrotem Gesicht vor mir stehen macht das halt weniger Spaß. :-/ Na ja, wir fangen demnächst mal an, Wohnungen anzugucken und dann sehen wir weiter.

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