Ex-Bundesgrüßaugust Wulff und Twitter

Jetzt haben wir es. Wulff tritt zurück und schon bei Verlesen seiner Rücktrittserklärung wird klar: Jedes Wort ist mit sehr viel Bedacht genau so gewählt, dass der Rücktritt natürlich rein gar nichts mit den nur Stunden zuvor von der Hannover’schen Staatsanwaltschaft beantragten Aufhebung seiner, Wulffs, Immunität zu tun hat. Natürlich waren es rein politische Gründe, die ihn zu diesem Schritt zwangen. Ähnlich klang auch, was Angela im Anschluss in die Mikrofone der Journaillie diktierte. Politische Gründe, keine persönlichen. Der Vorwurf der Vorteilsannahme wird – und das wird sehr schnell sehr klar – als Rücktrittsgrund oder gar als Schuldeingeständnis nicht zugelassen.

Warum macht Wulff das? Zum einen, weil er ja gar nichts getan haben will. Ob und inwieweit die Vorwürfe gegen ihn nun stichhaltig sind, sollen andere prüfen. Am besten welche, die sich dazu qualifiziert äußern können, ich kann das nicht beurteilen.

Heute nun die Meldung vom Bundespräsidialamt: Wulff bekommt seinen Ehrensold in Höhe von 199.000 € p.a. Angerechnet werden darauf Pensionsansprüche aus seiner Zeit als Abgeordneter des niedersächsischen Landtages und die als Ministerpräsident erworbenen Ansprüche.

Was mich daran stört, ist die Tatsache, dass diese Entscheidung nicht angefochten werden kann. Das Bundespräsidialamt entscheidet aufgrund entsprechender Gesetze und dann ist das so. Kein Politiker prüft das und niemand kann gegen diese Entscheidung Einspruch erheben. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Ermittlungen genug Beweise für eine Vorteilsannahme Wulffs findet, ein Verfahren eröffnet und er verurteilt wird, steht ihm der Ehrensold zu. Das zumindest hörte ich heute so im NDR 2-Kurier, den ich hier nur in voller Länge einbinden kann:

[audio:https://media.ndr.de/download/podcasts/podcast2976/AU-20120229-1740-1001.mp3]
(Direktkurier)

Der Beitrag beginnt bei 3’19“ und da wird genau diese Frage besprochen.

Das ist die eine Sache, die mich kolossal nervt. Die andere Sache ist der Umgang damit auf Twitter. Schon seit Wulffs Fernsehauftritt kursierte immer mal wieder eine Abwandlung von Wulffs „Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem man sich kein Geld bei Freunden leihen darf“-Zitats. Mit der Meldung heute gab’s dazu diverse Tweets, von denen ich stellvertretend zwei herauspicken will:

Wie gesagt, nur zwei von ganz vielen ähnlichen Tweets zum Thema. Ich frage mich ernsthaft, wie viele von diesen Tweetschreibern jetzt deswegen ernsthaft über’s auswandern nachdenken. Ja, blöde Entscheidung, einmal mehr hat man das Gefühl in einer Bananenrepublik zu leben – aber deshalb auswandern? Stellt sich vor allem die Frage: Wohin denn um Himmels Willen?

Ach, wieso reg ich mich eigentlich auf? (resigniert ab)

P. S.: Wie schön, dass es auch Leute gibt, die genau diesen Gedanken in unter 140 Zeichen ausdrücken können:

2 comments on Ex-Bundesgrüßaugust Wulff und Twitter

  1. vielleicht nur 1,2 Sachen:

    Zum einen ist es nicht ungewöhnlich, dass behördliche Entscheidungen nicht angefochten werden können, das ist nicht nur beim Bundespräsidialamt so. zB kann könnte auch kein Dritter meinen Wohngeldbescheid anfechten (wenn es den gäbe), nur weil er meint, ich hätte das Wohngeld nicht verdient oder die Voraussetzungen lägen nicht vor. Wohl aber kann das Wohngeldamt den Bescheid selbst unter Umständen widerrufen, zB, weil sich herausstellt, dass die Voraussetzungen nicht vorlagen oder später nicht mehr vorliegen. Das könnte das Bundespräsidialamt allerdings auch, etwa im Falle einer Verurteilung. Bis dahin gilt die strafrechtliche Unschuldsvermutung, und deshalb muss das Amt zum jetzigen Zeitpunkt auch davon ausgehen, dass Wulff unschuldig ist.

    Etwas anderers ist vielleicht noch die Frage, ob das Strafverfahren überhaupt eine Rolle spielt. Denn es geht hier um Dinge, die allesamt VOR seiner Amtszeit gewesen sind und mit seiner Amtsführung als BP deshalb auch gar nichts zu tun haben können. Am Ende kommt man wohl nicht drum rum, zu sagen: sein eigenes Verhalten ist da weniger Grund, als mehr die Reaktion darauf.

    Schlussendlich kann man aber auch die Frage stellen, ob man sich als Gesellschaft derart kleinlich geben sollte, und ehemalige Staatsoberhäupter mit Entzug von Versorgung straft, ich denke das gibt kein sehr glückliches Bild ab. Just my € 0,02.

    1. Hervorragend, tatsächlich habe ich auf so eine Antwort gewartet, die ein wenig Licht in dieses ganze Gedöns bringt! Dafür schon mal danke.
      Man kann darüber streiten, ob es kleinlich ist, ihm den Ehrensold zu verwehren. Letztlich gäbe es auch kein besonders gutes Bild ab, jemandem eine derart großzügige Apanage zu zahlen, wenn er sich tatsächlich etwas strafrechtlich relevantes zu Schulden kommen ließ. Die entsprechende Entscheidung sollte im Falle einer Verurteilung meines Erachtens tatsächlich überdacht werden. Man müsste sie vielleicht nicht komplett streichen, das wäre bei eingehender Betrachtung vielleicht wirklich ein bisschen harsch. Oder Wulff könnte freiwillig beispielsweise auf die zugehörigen Sachleistungen (Dienstwagen mit Fahrer, persönlicher Referent, Büro mit Sekretärin) verzichten, falls das möglich ist. Denn auch das sind ja laufende Kosten, die zusätzlich zu berechnen wären. Eine andere Möglichkeit (die so sicherlich nicht vorgesehen ist) wäre, Personal und Dienstfahrzeug von seiner Apanage zu zahlen. Sei es nur, um die BILD ruhig zu stellen.

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