Neulich bei ALDI

Vor einiger Zeit gab es bei ALDI ein Hochleistungs-Super-Profi-Bügelbrett mit allen Schikanen, das meine Mutter unbedingt haben wollte. Da ich damals Spätschicht hatte und auch aufgrund meiner militärischen Ausbildung bin ich natürlich prädestiniert für Aufträge wie diesen. Ich bin durch die Hölle gegangen. Lies weiter – wenn Du Dich traust!

8:15
Ankunft auf dem ALDI-Parkplatz. ERSTER! Entgegen all meinen Erwartungen ist noch niemand da. Keine Omis, die vor der Filiale übernachtet haben, keine „Reserviert für Oma Schulze“-Schilder, nichts. Ich nutze die verbleibende Zeit für Meditation und besorge ein zünftiges Frühstück: Cola, 2 Schokobrötchen und die BILD.

8:30
Aha, ein erster Konkurrent. Ein ziemlich verschlafener junger Mann in Trainingsanzug und Lederjacke. Vermutlich ist seine Frau schwanger und hatte Angst, sie könnte das Kind quasi rausgedrückt bekommen. Wer schon einmal bei einer unfreiwilligen Geburt aufgrund äußerer Einflüsse dabei war, weiß was ich meine. (Das Jagdfieber hat mich gepackt, ich rede wirres Zeug.) Wie auch immer, er schlendert über den kalten Parkplatz, ich sitze im verhältnismäßig warmen Auto und höre Radio (Uncle Cracker, zu deutsch: Onkel Keks). ätsch!

8:40
Eine Mittsechziger Wuchtbrumme mit verblichenem Blumenmuster auf der Jacke und züchtig hochgestecktem Haar bezieht Stellung vor der Tür. Anerkennung heischend schaut sie von mir zu dem Typ in der Lederjacke. In ihrem Gesicht spiegelt sich eine Mischung aus Triumph und etwas, dass nach Disco-Türsteher (Heute nur Stammgäste und mit den Schuhen schon mal gar nicht!) aussieht. Als Lederjacke vorsichtig näher kommt, schaut sie ihn an, als wollte sie ihm gleich mit gefletschten Zähnen an den Hals springen. Doch dafür müsste sie den Platz an der Tür aufgeben, deshalb beschränkt sie sich auf den bösen Blick. Lederjacke zieht sich zurück.

8:45
Innerhalb der letzten paar Minuten sind etwa 12 weitere Kauflustige angekommen. Viele Großeltern nutzen die Gelegenheit, ihre Enkel in den traditionellen Ritus der Schnäppchen-Jagd einzuführen. Diese Gelegenheit wiederum nutzen sie, um vor anderen Mitgliedern dieser kleinen, eingeschworenen Gemeinschaft mit ihren Enkeln zu protzen. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

8:47
Ein Opa holt schon mal einen Einkaufswagen. Auf der Bundesstraße hat es gekracht. Mein Wohnmobil blockiert die Sicht. Da ich die gereckten Hälse absichtlich falsch interpretiere und nicht wegfahre, müssen einige allzu Neugierige ihren Platz in der Nähe der Tür verlassen. Sofort rücken andere von hinten nach und schließen die Lücken.

8:50
Ich bin ausgestiegen und habe mich durch die mittlerweile 20 Einkaufswagen zählende Masse gedrängelt. Dorthin, wo es Einkaufswagen gibt, und ich das Ende der Schlange vermute. Drei weitere Omas kommen an und springen schon aus dem Auto bevor die mitreisenden Männer eingeparkt oder gar vollständig angehalten haben. Wenn sie es könnten, würden sie rennen. Durch das ständige Holen von Einkaufswagen hat der Mob jeglichen Ansatz von Rangordnung verloren. Unbeirrbar: Die Mutti an der Tür.

8:52
Gerade fällt mir auf, wie eingeschworen diese kleine Gemeinde der Mittwochs-bei-ALDI-Einkäufer doch ist. Unter knapp 30 bösen Blicken hat sich jemand nach vorne geschlichen. Erst als die dort postierte Mutti sich laut zu freuen beginnt („Ach, siehste, grad hab ich noch gedacht ‚Wo is dann die Frau Bäcker heut?‘.“) und dann eine leisere Unterhaltung mit Frau Bäcker führt, entspannen sich die Mienen wieder. Die Tür-Mutti scheint hier einigen Einfluss zu genießen…

8:53
Erste Kämpfe um Vormachtstellungen werden durch das Geräusch aneinander stoßender Einkaufswagen und leises Knurren angezeigt. Das erste Kind beginnt zu weinen und wird in einen Einkaufswagen gesetzt.

8:54
Die Tür-Mutti und Frau Bäcker haben sich umgedreht. In die Masse kommt Bewegung, offenbar wird die Tür geöffnet. Das weinende Kind ist jetzt Nebensache, es geht los. Ein Raunen geht durch die über 30 Personen starke Gruppe, Einkaufswagen stoßen aneinander, Kinder retten sich in Einkaufswagen. Das Jagdfieber greift nach den Umstehenden. Es geht los.

8:56
Ich bin drin. Unterdrücke einen Aufschrei, als mir ein betagter dicklicher Herr in braunen Cordhosen in die Hacken fährt. Wohl aus Rache, denn ich habe seinen erstaunlich flinkenVorstoß kurz vor der Tür mit fast dreister Brutalität verhindert, indem ich mich nicht von dem herbeieilenden Rentner beeindrucken ließ, was erneutes Einkaufswagen-Klappern zur Folge hatte.

8:58
Lederjacke ist schon fast wieder draußen (Bügelbrett und zwei Halbdaunen-Kopfkissen) als Cordhose in Höhe der Freiland-Eier an mir vorbei zieht und mich brutal schneidet. Ich widersetze mich dem Drang, ihm kräftig in die Hacken zu fahren, als er mit hochrotem Kopf vor die Bügelbretter manövriert. Eine Oma hat mich übersehen, als ich meinen Wagen an der Tiefkühltheke abstelle und sie gerade von den Weihnachts-Süßigkeiten kommend links in Richtung der Bügelbretter abbiegen will, dabei aber nach rechts zum Kochschinken in der Wursttheke peilt. AU! Ich hätte doch meine Bundeswehr-Stiefel anziehen sollen.

9:00
Ich stehe vor dem Karton mit den Bügelbrettern, endlich am Ziel! Aller Schmerz ist vergessen, ich hab es geschafft! Keine Zeit für Sentimentalitäten, zwei Herren mit karierten Hüten und dunkelblauen Strickjacken, die die 70 augenscheinlich schon länger hinter sich haben, zerren an einem Bügelbrett. ächzend, Schweiß steht ihnen auf der Stirn, aber sie kennen kein Erbarmen. Einer der beiden hat seinen Einkaufswagen mitgebracht, es ist verflucht eng und fast unmöglich sie sperrigen Bügelbretter aus dem Karton zu ziehen, als ein dritter Rentner sich von der Kasse kommend auf dem Weg zu Schinken und den Halbdaunen-Kopfkissen zwischen dem Einkaufswagen und der Tiefkühltheke durchzwängt. Ich hätte wirklich die BW-Stiefel anziehen sollen.

9:03
Auf dem Weg zurück zu meinem Einkaufswagen fällt mir etwas ein: Wo sind die Tür-Mutti und Frau Bäcker? Stehen sie immer noch an der Tür? Oder haben sie ihre freundliche Unterhaltung vergessen, als die Tür aufging und Frau Bäcker sich nach kurzer Rangelei durch einen gezielten Leberhaken außer Gefecht gesetzt sah? Ich grinse noch einen Moment bei dem Gedanken und sehe die Tür-Mutti vor meinem geistigen Auge, wie sie der am Boden liegenden Frau Bäcker im rausgehen noch einen Tritt gibt. („Das was für’s Vordrängeln. Schlampe!“)

9:05
Nass geschwitzt und um 460 Mark leichter bin ich nun in Sicherheit. Langsam manövriere ich das Wohnmobil aus der Parklücke. Im letzten Moment bemerke ich eine ältere Dame, die mit dem typischen Hamsterkauf-Scheuklappen-Blick im toten Winkel verschwindet.

9:30
Zu Hause. Puh.

Tipps für den Schnäppchen-Jäger
Damit Du einen Einkauf am Mittwoch morgen bei ALDI überlebst, hab ich hier ein paar kleine Tipps zusammen gestellt. Für Ergänzungen und so weiter bin ich immer offen.

  • Sei früh da. Du musst nicht vor der Tür campieren oder stundenland im Regen stehen. 20 Minuten bevor der Laden aufmacht, solltest Du da sein um einen guten Platz in der Schlange zu bekommen. Merke: Je weiter vorne Du stehst, desto mehr Neider gibt es, die Dich ausschalten wollen. Je weiter hinten Du stehst, desto geringer sind Deine Chancen auf einen Artikel von der ersten der 15 Paletten im Lager. Dafür tun Dir die Hacken nicht so weh.
  • Zieh hohe, feste Schuhe an. Turnschuhe sind zwar unter Umständen bequemer, aber Deine Ferse liegt frei und wenn Dir eine Oma mit Fünf-Mark-Stück-Absätzen auf den Fuß tritt, tut’s höllisch weh.
  • Frisch Dein Wissen um Herz-Lungen-Wiederbelebung auf. Nur für den Fall, dass einer mit Herzinfarkt zusammenbricht. Deine eigene Sicherheit geht dabei natürlich vor! Wirf Dich nicht vor einen Einkaufswagen, nur weil jemand anders am Boden liegt.
  • Park nicht direkt vor der Tür. Leute, die zu spät da sind, laufen Dir einfach so vor’s Auto, weil sie Angst haben, sie könnten nichts mehr kriegen.