SWR – ziemlich peinlich

Nun kann man ja von den öffentlich-rechtlichen Programmen halten, was man will. Die einen (und das sind i.d.R. die Privatradios) sehen sie als staatlich geförderte Konkurrenz mit der Lizenz zum Gelddrucken und ständig den eigenen Gebührenbedarf erhöhen, die anderen (und das sind i.d.R. sie selbst) werden nicht müde, die journalistische Kompetenz und den großen Beitrag zur publizistischen Vielfalt in Deutschland zu loben.

Fakt ist, dass die Staatsfunker im Augenblick eine ganze Menge Kohle scheffeln. Einerseits durch die Gebühren, andererseits durch ordentliche Werbeerlöse. Die gilt es schon seit Jahren zu maximieren. Und wie macht man das? Klar: Man lässt sich in der Medienanalyse (kurz „MA“) ausweisen. Und weil ausgewiesen werden nun mal nicht reicht und man ja allseits teure Berater engagiert hat, müssen nun eben alle möglichen Imagewerte und Hörerzahlen verbessert werden. So kommt es, dass das Programm von SWR 3 von einer strunzdämlichen Aktion in die nächste taumelt. Nicht so bekloppt wie manche Aktion der Privatfunker, aber man nähert sich an.

Ein wichtiger Teil dessen ist zum Beispiel, dass es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit kurz nach der Einführung des Privatfunks so etwas wie „Durchhörbarkeit“ des Programms gibt. Noch vor ca. 15 Jahren hörte man in sechs Stunden öffentlich-rechtlichem Rundfunk mindestens drei verschiedene Musikrichtungen, je nach dem welche Sendung man einschaltete. Überspitzt formuliert spielte man im Morgenmagazin leichten Jazz, am Vomittag im Haushälterinnen-Report gab es seichtes aus den späten 60ern, nachmittags irgendwann Kinderstunde mit Hörspielen und Kinderliedern usw. Das Programm war kultiviert, die Moderatoren gesetzt und ernsthaft, nur aus Versehen komisch und es herrschte journalistische Kompetenz und publizistische Vielfalt.

Dann kamen die Privatradios auf. Die waren laut, setzten auf ganz viel Comedy, lustige Moderatoren und witzige Gewinnspiele. Und siehe da, die hatten Hörer. Und zwar eine ganze Menge. In der Konsequenz veränderte sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk: Die Moderatoren wurden lockerer, das Musikprogramm wurde tagsüber einheitlich und der Wortanteil wurde kürzer. Gleichzeitig wurden PR-Abteilungen gegründet, die einerseits die Veränderungen bei den öffentlich-rechtlichen Wellen über den grünen Klee lobten, andererseits gelegentlich einen Seitenhieb auf die privaten und ihre Mini-Rotationen, Gewinnspiele und kurzen Nachrichten fallen ließen.

Es war ungefähr in dieser Zeit, dass das Programm-Marketing in die privaten Funkhäuser Einzug hielt. Während man schon länger darauf geachtet hatte, Musikstücke durch kurze Nennungen der Senderkennung miteinander zu verbinden, fiel den Machern auf, dass genau das (die Nennung des Senders nämlich) im restlichen Programm so gut wie gar nicht stattfand. Als erste Sofort-Maßnahme wurden die Nachrichten kürzer, damit die Pause zwischen zwei Station-IDs nicht zu groß wurde. Als nächstes hieß es nicht mehr „Professor Edgar Schnederpelz sagte meinem Kollegen Elmar Hase…“ sondern „Am Sender XY-Mikrofon dazu, Professor Edgar Schnederpelz“ und man hatte auf einmal nur noch „Sender XY-Hörer“, „die Sender XY-Stauzentrale“ und natürlich die „Sender XY-Hotline“

All das ist heute bei den öffentlich-rechtlichen, und insbesondere bei SWR 3, Gang und Gäbe: Kurze, boulevardeske Nachrichten, kleinste Rotation, ständig irgendwelche Gewinnspiele und Comedies, die zum Teil auf aktuelle Gewinnspiele Bezug nehmen, Station-IDs ohne Ende und eben ein SWR 3-Verkehrszentrum, lauter SWR 3-Hörer, den SWR 3-Wetterexperten usw. usf.

Warum erzähle ich das alles? Hauptsächlich als Vorgeschichte, denn der nun folgende Beitrag ist ohne eine gewisse Vorkenntnis nicht zu verstehen. Die Quintessenz: die Popwellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben sich der privaten Konkurrenz immer weiter angenähert und sie zum Teil recht erfolgreich kopiert. Sie machen sich Methoden der Privatradios zu nutze um von ihrem Gebührenpolster aus einem Grundversorgungsauftrag nachzugehen, den sie zumeist selbst definieren.

Und doch hörte man kürzlich diesen Beitrag in einer SWR Aktuell-Sendung:

[audio:https://www.joernschaar.de/storage/audio/swr-propaganda.mp3]

Was ist das nun? In erster Linie ist es Programm-Marketing. Wir reden gut über das eigene Haus und schlecht über alle anderen. Irgendwie ist es auch die vielerorts ebenso häufig wie (nach meiner bescheidenen Meinung) zu Unrecht gescholtenen Hörfunk-PR, nur dass eben keine PR-Agentur dahinter steckt, die die Inhalte ihres Kunden möglichst publikumswirksam platzieren möchte, sondern dass dieser PR-Beitrag aus dem eigenen Haus kommt.

In zweiter Instanz ist er aber vor allem eines: Peinlich. Denn er ist handwerklich mit das schlechteste, was man als Radiomensch in letzter Zeit so zu hören bekommen hat. Sauber gesprochen, gut geschnitten – keine Frage. Aber der Rest? Er ist einseitig, es gibt keine Stimme, die für die andere Seite spricht und vor allem: Er ist wertend. Das darf ein Nachrichtenbeitrag niemals sein und schon gleich drei Mal nicht, wenn man sich in eben diesem Beitrag eine kritische und neutrale Berichterstattung auf die Fahnen geschrieben hat.

Das ist einfach nicht in Ordnung und bringt mich ganz massiv zum Würgen. Denn das ist billigste Propaganda von ganz weit unten im Klo. Wenn man etwas ähnlich gelagertes irgendwo im Programm eines kleinen Lokalfunkers gehört hätte, der irgendwo bei 15.000 Hörern in der Durchschnittsstunde herumkrebst, dann könnte man ja noch mal darüber hinweg sehen. Die Leute, die in so einem Laden arbeiten wissen es meist nicht besser oder sie haben keine Wahl, weil irgendein Kunde es bei der Werbeschaltung als Goodie oben drauf bekommen hat.

Der SWR sollte sowas allerdings in seiner Eigenschaft als zweitgrößte ARD-Anstalt eigentlich nicht nötig haben, so einen dümmlichen Mist zu senden. Traurig.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Privatradios sind auch keine Heiligen. Winzig kleine Rotationen, teilweise kaum selbstproduzierte Inhalte sondern ständig grenzdebile Gewinnspiele bei denen es zu allem Überfluss mehr auf den Schein als auf das Sein ankommt. Was man in manchen Ecken von Privatradiodeutschland so hört, stellt einem selbst dann die Nackenhaare auf, wenn man das Medium Radio so sehr liebt wie ich.

Aber, und das wollen wir mal nicht vergessen, die Privatradios folgen einem völlig anderem Auftrag als die öffentlich-rechtlichen. Während die ÖR-Wellen allesamt den expliziten Auftrag haben, die Bevölkerung zu informieren, zu bilden und für die publizistische Vielfalt zu sorgen, dienen die Privatradios nur einem einzigen Zweck: Geld verdienen.

Ein Privatradio ist ein Unternehmen, das wirtschaftlich arbeiten muss. Unser Produkt ist Unterhaltung und Kurzweil und das verkaufen wir wie jeder andere auch: Mit möglichst geringen Produktionskosten (kleine Rotationen, das letzte bisschen echten Inhalts wird von Praktikanten und Volontären produziert) und maximaler Gewinnspanne. Das muss man nicht mögen und viele Macher betrachten das immer noch durch die rosarote Brille, aber so ist nun mal die Realität.

Aber trotzdem, liebe ARD, lieber SWR, sowas solltet Ihr eigentlich nicht nötig haben. Echt mal.