Ich möchte nicht sagen, dass ich überrascht wäre. Ganz und gar nicht. Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, dass die taz ankündigte, Brust- und Bandenwerbung in der Sportberichterstattung künftig nur noch verpixelt zu zeigen, um gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Sports und insbesondere des Fußballs anzugehen. Oder etwas ausführlicher aus dem taz-Hausblog vom 12. August 2011:
Die Professionalisierung und Durchökonomisierung des Fußballs hat dazu geführt, dass dem Zuschauer immer mehr Werbung zugemutet wird. Sie befindet sich nicht nur auf der Brust der Spieler, nein, neben dem Tor liegen Werbeteppiche, die im Fernsehen wie dreidimensionale Aufsteller aussehen. Vereine setzen auf die doppelte Werbebande, wobei die hintere bis zu drei Meter hoch sein kann. Es ist ein monströser Werbewall. Im Mittelkreis liegt vorm Spiel eine textile Werbebotschaft. Die Spieler gehen vor dem Match über eine Matte, auf dem groß ein Sponsorenname steht. Die Fifa präsentiert den “Player of the Match”, natürlich gesponsort von einem Biermulti. Alles, aber auch wirklich alles bezieht sich im Fußball auf dessen Verwertbarkeit. (..) Anders die Presse. Sie kann filtern und sortieren, kann Sponsorennamen bei der Nennung von Stadien weglassen, was auf den taz-Sportseiten schon länger passiert. Und sie könnte die Logos von Brustsponsoren auf Fotos verdecken oder verpixeln, was wir jetzt zwei Wochen lang auf den Sportseiten der taz tun wollen, um zu zeigen, wie allgegenwärtig und aufsässig die Werbung im Sport ist. Nach diesen zwei Wochen wollen wir dann möglichst jene Fotos aussuchen, die viel Sport zeigen und wenig Sponsoren. Immer wird das nicht gelingen. In diesen Fällen werden wir dann weiterhin zum Mittel der Unkenntlichmachung greifen. Es ist ein Versuch, ein Test – vielleicht auch ein Kampf gegen Windmühlen. Aber wir wollen demonstrieren, dass es auch anders gehen kann.
Am gleichen Tag unkte ich:
Fakt ist, (..) dass den Zeitungen die Leser und noch viel schlimmer die Anzeigenkunden weglaufen. Fakt ist auch, dass deswegen seitens der Verlage immer kreativiere Wege gefunden werden, wie man hier noch etwas einsparen und dort noch etwas outsourcen und dort hinten die Büroeinrichtung verkaufen und wieder zurückleasen kann. (..) Ein verzweifelter Anzeigenverkäufer sieht seinen Forecast davon schwimmen und während er in der aktuellen taz blättert, fallen ihm die Werbepapperl von all den Firmen auf, die bei ihm nicht gebucht haben und trotzdem über den Umweg des Sportsponsorings ins Blatt geraten sind. Mal abwarten wie lange es dauert, bis der erste taz-Werbekunde versehentlich nicht verpixelt wird…
Gestern nun frohlockte die taz in ihrem Hausblog: (Hervorhebung von denen)
Eine Woche lang hat die Sportredaktion der taz Reklame gemacht – und entgegen ihrer Gewohnheit Brustsponsoren und Bandenwerbung unverpixelt im Blatt gezeigt. Sportsponsorenfotos wurden auf den “Leibesübungen” jedoch wie Anzeigen behandelt. Den Profiteuren, die ihre Werbung auf dem Trikot des FC Bayern München oder einer Bande in die taz einschleusten, wurden Rechnungen gestellt. (..) Es ist eine Summe von 72.332,13 Euro für diverse Textteil- und Eckfeldanzeigen zusammengekommen. Wir haben uns an den üblichen Anzeigenpreisen der taz orientiert. Die letzten Rechnungen sind am Montag an Toyota, Gazprom und die Telekom gegangen, als Beispiel-PDF hier die Rechnungen an coca-cola und evonik. Noch haben wir keine Antwort von den Unternehmen erhalten, bleiben aber dran. Notfalls verschicken wir Mahnungen.
Niemand hat die Absicht, bei Sport-Sponsoren Geld einzutreiben. 😉 Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass die taz angekündigt hat, ab sofort wieder die Sponsorenwerbung auf Trikots und Banden zu verpixeln. Das soll wohl sagen „Guckt doch, wir sind hier die Guten, die sich gegen den Kommerz stemmen“, schätze ich. Insofern erschließt sich mir die Aktion nicht vollständig. Denn die Unternehmen, die im Umfeld von Sportveranstaltungen werben haben ja einen Vertrag mit dem jeweiligen Verein, der Sportstätte oder dem Verband geschlossen und nicht mit der taz. (Dabei kommen dann solche Unsäglichkeiten heraus, dass die 1. Handball-Bundesliga plötzlich „Toyota-Handball-Bundesliga“ heißen muss oder die Ostseehalle „Sparkassen-Arena“.) Dieser Vertrag sagt aus „Du nähst unsere Werbung auf Deine Trikots/Banden/Stadien/Younameit und bekommst dafür Summe X von uns“. Nun kommt die taz, verlangt Geld für eine Leistung, für die es keinen Vertrag gibt und will die Kohle nötigenfalls auch anmahnen. Ich lese die taz nur gelegentlich online und kenne die Printausgabe so gut wie gar nicht, aber angesichts der Firmen (Toyota, Gazprom, Coca-Cola usw.) könnte ich mir vorstellen, dass es erboste Anrufe in der Anzeigenabteilung der taz geben könnte und dass sich Werbekunden aus dem Blatt verabschieden könnten. Ich als Marketingleiter eines dieser Unternehmen würde darüber zumindest nachdenken.
Bleibt die Frage: Ist das wirklich nur ein Exempel, um gegen die überbordende Sponsorenwerbung im Sportumfeld zu protestieren oder vielleicht doch eher ein Testballon, um mal zu gucken wie hoch der Ertrag dieser merkwürdigen Aktion ist? Ich jedenfalls bin gespannt, ob die taz den Vorgang weiterhin so transparent in ihrem Blog begleitet und auch die tatsächlichen Einnahmen als positive und natürlich auch Stornierungen geplanter Anzeigen als negative Resonanz an gleicher Stelle veröffentlicht.
Edit: Rechtschreibfehler hinzugefügt.