Wir Nerds haben es ja laut Klischee nicht so sehr mit Sport. Dachte ich zumindest bisher. Dabei habe ich die größten Nerds direkt vor meiner Nase. Täglich. Hier im Büro. Sonst stehe ich hier immer als der Vorzeige-Nerd da – und im Vertrauen: dafür reichen Smartphone, Brille, leichtes Übergewicht, Grundkenntnisse in HTML und der schwarze Gürtel in Google und Excel. In den vergangenen Tagen musste ich mich aber eines deutlich besseren belehren lassen: Nämlich während der Fußball-Weltmeisterschaft. Dass die einzelnen Spiele mit deutscher Beteiligung detailliert diskutiert werden würden, hatte ich nach diversen Bundesligasaisons schon geahnt. Dass aber einzelne Kollegen die durchschnittliche Laufdistanz einzelner Spieler kennen und dass Vokabeln wie „Schmach von Tirana“ oder „Schande von Gijón“ fallen würden – damit hatte ich nicht gerechnet. (Und googelte deshalb heimlich unter dem Tisch, was es damit auf sich hat!) Anstatt also die wichtigen Themen des Tages oder wenigstens den Mittagstisch im Restaurant um die Ecke zu besprechen, ergingen sich die Kollegen in Diskussionen um Taktiken, Aufstellungen, Laufwege und ob dieser oder jene Spieler nun zwei oder drei einhundertprozentige Chancen nicht verwandelt hat. Insofern hatte die WM – und damit indirekt auch „unsere“ vierte Weltmeisterschaft nach 1990 – auch etwas Gutes: Ich kann zumindest das Stirnrunzeln der Kollegen besser deuten, wenn ich am Montag im Büro mit dem Satz zitiert werde, dass die Fußball-WM 2014 ja auch etwas Gutes gehabt hätte. Ich hab’s halt nicht so mit Sport…
Dieser Text erschien als erstes als Kolumne auf der Netzweltseite des sh:z.