Gelesen: "Tödliche Zugabe" von Stefan Maelck

Ich habe mit dem Buch vielleicht den Fehler gemacht, es nach dem wirklich sehr guten und eindrucksvollen „Von Kranichen und Klopfern“ zu lesen. Der Autist Axel Brauns schildert in seinem ersten Roman das Leben eines kleinen Mädchens, dass in einem Messie-Haushalt aufwächst.

„Von Kranichen und Klopfern“ ist möglicherweise so gut, dass dagegen jedes andere Buch abstinken muss. Andererseits ist „Tödliche Zugabe“ aber vielleicht auch einfach nur schlecht.

„Tödliche Zugabe“ ist Maelcks dritter Roman. Es geht um den Privatdetektiv/Radiomoderator „Hank“ Meyer, der nach Aufklärung der nicht näher beschriebenen Schlüpfermorde keinen anständigen Fall mehr hatte. Als ein Mitglied der gerade erfolgreich gewordenen Band „Frohe Zukunft“ mit dessen eigener Gitarre ermordet wird, muss Meyer auf einmal wieder im großen Stil ermitteln.

Ich erspare mir an dieser Stelle eine ausführlichere Inhaltsangabe und komme gleich zur Kritik. Sprachlich, und damit komme ich wieder auf meine Vorab-Entschuldigung vom Anfang zurück, kommt „Tödliche Zugabe“ nicht annähernd an „Von Kranichen und Klopfern“ heran. Zu bemüht ist der Versuch einer markigen, rock’n’roll-, suff- und milieusprechgeschwängerten Sprache und zu schlicht ist die Ich-Perspektive des versoffenen Nachtschattengewächses Meyer gewählt, als dass für einen Moment Spannung aufkäme. Zu sehr versucht Maelck mit kruden Figuren wie dem Plattenfirmenagenten Elvis Krömer-Scharfschwerdt, der komplett aus Klischees besteht, und seinem nicht minder flach gezeichneten Assistenten Finn Flegelmilch unterhaltsame Elemente einzubauen, als dass die Geschichte in der Lage wäre, an Tiefe zu gewinnen.

Was mir wahnsinnig auf den Geist ging, sind die ständigen Verweise auf Songs und Alben, auf Künstler, Dichter und ähnliches Popkulturgedöns. Beziehungsweise der Umgang der Figuren damit. Ganz oft spielt jemand einen Song oder zitiert ein Gedicht, das allen anwesenden fürchterlich auf den Keks geht. Die Auseinandersetzung darüber trägt weder zur Atmosphäre bei, noch hilft sie der Story in irgendeiner Form weiter. Zeilenschinderei.

Tatsächlich erinnert mich diese Ausgiebigkeit mit der Maelck Musik und Dichtung bemüht an eine Figur, die ich für meinen eigenen, und immer noch zu schreibenden, Thriller verworfen habe: In „Endstation Hauptbahnhof“ hätte es fast Pit gegeben. Einen Enddreißiger mit den besten Voraussetzungen für ein gutes Leben, der aber so ein Misantroph ist, dass er sich weigert, überhaupt die Wohnung zu verlassen. Lieferungen gehen an eine Postbox, die er nachts um drei leert, Essen lässt er auf der Fußmatte abstellen unter der Bringdienst das Geld dafür findet usw. usf. – eine unterhaltsam-tragische Figur, die mir in der Entwicklung einigen Spaß bereitet hat, die aber die Handlung durch ihre auf das allermindeste beschränkte Interaktion mit der Außenwelt kein Mü weiter bringen kann. Zeilenschinderei eben.

Apropos! Der Autor verwendet fast zwei Seiten darauf, die Hauptfigur erzählen zu lassen, dass sie eigentlich gar nicht Hank heißt, aber von allen so genannt wird, ohne dass er so richtig zu wüsste warum. Allerdings nennt ihn alle Welt in dem Buch nur Meyer. What? The? Fuck?

Maelck bedient sich zu vieler Klischees auf einmal, lässt seine Figuren nur sehr oberflächlich miteinander interagieren und nimmt ihnen so jeden Anflug von Glaubwürdigkeit. Als Beispiel möchte ich Meyer und seinen langjährigen Freund Heuser anführen. Der Emailkontakt der beiden ist so kalt, so abweisend, dass man verwundert 20 Seiten zurück blättert. Dort liest es sich nämlich so, als sei Heuser dahingeschieden und nicht nur drei Straßen weiter in eine WG alleinerziehender Mütter gezogen, um das Konzept „Leben mit Kindern“ auszuprobieren.

Nach dem etwas zu offensichtlichen Bemühen, den Sänger der „Frohen Zukunft“ als Hauptverdächtigen herauszuarbeiten, kommt dessen Tod tatsächlich etwas überraschend, aber der Schluss-Akkord ist dann doch wieder so himmelschreiend dämlich, dass ich das Buch buchstäblich in die Ecke geschmissen habe und mein selbst auferlegtes Smartphone-mit-Blog-App-Nutzungsverbot der letzten Tage brechen musste. (Anmerkung: Geschrieben habe ich diesen Eintrag als ich offline war, veröffentlicht habe ich ihn erst jetzt. Aus Gründen.)

„Tödliche Zugabe“ ist ein Buch, das für Zeiten einer langwierigen Recherche für – wollnmalsagen – eine Dissertation ausreicht, um das Großhirn ein wenig auszulüften. Große Typo, trotzdem erstaunlich wenig Seiten – ein durchschnittlich schneller Leser hat den Schmöker in zwei Nachmittagen hinter sich gebracht. Wer auf der Suche nach einem guten Krimi ist, sollte allerdings einen Bogen um „Tödliche Zugabe“ machen.