In dieser monatlichen Artikelreihe schreibe ich auf Einladung von Frau Brüllen auf, was ich heute so getan und erlebt habe.
Der Tag ging um kurz nach sieben los mit dem üblichen Morgenritual: Duschen, Anziehen, Hunderunde. Unterwegs haben wir zwei Hundekumpel getroffen und, soweit es der Gehweg und der Schnee zuließen, ein wenig herumgealbert. Wieder zuhause habe ich Lexis Pfoten von Schnee und Streusalz befreit und bin zum Bäcker gewackelt. An der Kreuzung stoppte mich eines der Grundschulkinder mit der Warnung, dass es an einer Stelle auf dem Bürgersteig sehr glatt sei und man da hinfallen könne. Der Bursche hat tatsächlich auf mich gewartet, um mich zu warnen. Voll nett!
Beim Bäcker ist alles soweit ereignislos: Die Tüte mit der üblichen Bestellung ist immer schon vorbereitet, kurzer Schnack über den Tresen, alle krank, alle mit Corona zuhause. Das Geld habe ich passend, schönen Tag und alles Gute. Nach dem Frühstück sitzen die Herzdame und ich noch kurz auf der Couch und besprechen den Tag, während ich den Hund bekuschele und Saugfried seine tägliche Runde unter dem Esstisch und durch die Küche dreht: Montags bis samstags wird gesaugt, weil überall Brötchenkrümel rumliegen. Sonntags gibt es keine Brötchen, dafür wischt der Kollege dann nur die Küche gründlich durch.
Kurz nach neun sitze ich am Schreibtisch und checke die Mails des Tages. Es gibt zwei neue Aufträge und ich muss mich echt mal um die Recherche für drei Themen kümmern, die „so um den Jahreswechsel“ angedacht waren. Erstmal Konferenz, da fühlt man sich morgens schon beim Zuhören schlauer, und dann schreibe ich mehrere Leute an und führe ungefähr sieben Telefonate zu ähnlich vielen Themenkomplexen. Danach noch ein Skript überarbeiten, dessen Redigat auch schon ein paar Tage im Posteingang liegt.
Dann ist auch schon Mittag, ich wärme mir den selbstgemachten Rotkohl von vorgestern und ein paar Kartoffeln von gestern auf, bevor ich um 12.30 Uhr ins Auto steige. Es geht nach Timmendorfer Strand. Vorher noch kurz tanken und was zu trinken für die Fahrt mitnehmen und los geht die wilde Rutschpartie. Wegen des Schnees fahre ich selten schneller als 60, das machen alle so, das ist vernünftig, die Fahrt dauert zweieinhalb statt eineinhalb Stunden. Am Ort des Geschehens gibt es keine Parkmöglichkeiten, also muss ich noch ein paar Minuten durch das winterliche Timmendorfer Strand zur Trinkkurhalle laufen.
Dort spricht gerade der Bürgermeister darüber, wie die geplante Hinterlandanbindung für die Bahn seinen Ort gefährdet. Denn die neue Bahnstrecke soll schnellere Verbindungen erlauben und parallel zur Autobahn geführt werden. Mit Fertigstellung dieser Strecke wollen das Land und die Bahn die Regionalstrecke, Bäderbahn genannt, stilllegen, die bisher Lübeck und die Bäderorte in der Lübecker Bucht verbindet. Zwei Bahnhöfe werden dann noch angefahren, Timmendorfer Strand wird nur noch per Bus erreichbar sein. Das findet der Bürgermeister nachvollziehbarerweise blöd, denn mit dieser Bahn allein kommen jährlich etwa 400.000 Urlauber und Tagesgäste nach Timmendorfer Strand. Der Rest sorgt im Sommer regelmäßig für einen Verkehrsinfarkt im Ort.
Nach seinem Impulsvortrag gibt es ein Rechtsgutachten, wonach die Planungen von Land und Bahn so nicht haltbar seien und die nordfriesische Eisenbahngesellschaft bekräftigt den Wunsch, die Strecke übernehmen und weiter betreiben zu wollen. Das sei, so erklärt es Eisenbahnrechtsexperte Prof. Ramsauer, ein weiterer Grund dafür, weswegen die Strecke nicht stillgelegt werden dürfe. Es folgen Fragen der anwesenden Journalisten und das übliche Ritual bei solchen Terminen: Die Fotografen verlangen ein, besser ein Dutzend Gruppenfotos, gern auch zusätzlich mit privaten Handys, bevor der Radioheini seine O-Töne bekommt. Ich habe noch nie eine Pressekonferenz erlebt, bei der das anders war. Immer erst die Fotografen, dann die Fernsehleute und dann das Radio. Ich nutzte die Wartezeit, um Statements vom zuständigen Ministerium und der Bahn anzufragen.
Der Rückweg zum Auto führt mich am Dönerstand vor dem örtlichen famila vorbei. Nachdem eine Zeitungsreporterin mit den Worten „Draußen geht die Welt unter und ich muss ja auch noch zurück!“ hektisch den Saal verlassen hatte, wollte ich den Heimweg nicht ohne Getränkevorrat und was Warmes im Bauch antreten. Der Döner ist weder besonders gut, noch besonders schlecht, aber genau der Döner, den ich heute Abend brauche. Während ich warte, ruft eine Pressesprecherin vom Vormittag zurück. Alles kompliziert, Termin erst wieder Mitte Januar. Auch gut.
Die Heimfahrt verläuft ähnlich schleichend, das Navi hat sich aber eine etwas andere Route ausgesucht. Die erscheint mir praktischer als die Hinfahrt, aber bei der Dunkelheit habe ich ohnehin kaum etwas erkannt. Gegen 21 Uhr bin ich zuhause bei einer gut gelaunten Herzdame, die einen tollen, produktiven Tag hatte. Wir haben uns gegenseitig erzählt, was wir erlebt haben, es gab Kekse und einen kuschelbedürftigen Hund. Danach muss ich noch kurz an den Schreibtisch, um etwas Buchhaltung und Korrespondenz zu erledigen: Mitschnittlinks verschicken, Redaktionen über den verschobenen Termin informieren, andere Termine bestätigen, Rechercheergebnisse vom Vormittag weiterleiten und sich über eine Mail mit Lob für ein Manuskript freuen. Damit sind dann alle Anfragen vom Vormittag abgearbeitet und jetzt – um 22.15 Uhr – ist dann Feierabend für heute. Morgen wird es ruhiger. Bestimmt.