Muss doch nicht sein

Politiker in Deutschland haben es schwer. Die wenigsten, die nicht zufällig selber Politiker sind, mögen sie wirklich. Von einigen Mafia-Bossen mal abgesehen, wenn man dem Interview auf SpON (Anmerkung vom 23.6.18: Wegen einer dräuenden EInführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverlage habe ich den Link zum Originalartikel nachträglich entfernt.) glauben schenken darf. Dort sagt einer der ‚Ndrangetha-Paten nämlich, Zitat:

SPIEGEL ONLINE: Stehen auch deutsche Politiker auf Ihrer Gehaltsliste?
Capo: Wenn es nicht so wäre, wären wir nicht da. Das große Geld lässt sich nur verdienen, wenn die Politik mitmacht.


Aber darum geht es gar nicht.

Nein, es geht irgendwie um die 2004 von Alt-Kanzler Schröder in den Raum geworfene „Mitnahmementalität“ (Anmerkung vom 23.6.18: Wegen einer dräuenden EInführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverlage habe ich den Link zum Originalartikel nachträglich entfernt.), die es immerhin in die Favoritenliste zum Unwort des Jahres geschafft hat. Diese sei, so Schröder, dafür verantwortlich, dass die Deutschen Sozialleistungen abstaubten wo sie nur könnten, blablabla.

Ich bin jetzt auch nicht gerade ein ausgewiesener Fan von diesen Leuten, die man gelegentlich in Talk Shows sagen hört, dass sie keinen Bock auf Arbeit haben und dass sie lieber den ganzen Tag rauchend und simsend vor dem Flachbildfernseher liegen und sich über Harzt IV und Sozialhilfe freuen. Und ja, ich bin mir der drohenden Pauschalisierung bewusst, die ich hier gebrauche. Ich bin mir aber auch dessen bewusst, dass dieser so laut auftretende Teil der Hartz IV-Empfänger eine kleine Randgruppe ist und es durchaus Leute gibt, die sehr viel auf sich nähmen, um wieder in Lohn und Brot zu stehen. Aber auch darum geht es nicht.

Wie gesagt, mancher Bundesbürger mag durchaus eine Tendenz dazu haben, die eine oder andere Leistung zu kassieren und sich still ins Fäustchen zu lachen. Politiker finden das nicht in Ordnung. Haben sie ja grundsätzlich auch recht mit, ist ja ihr Beruf. Staatsschulden sind blöd, wir müssen alle mit anpacken und gucken, dass wir alle zusammen den Karren aus dem Dreck, blablabla.

Und dann kommen so ein paar Hinterbänkler aus dem Bundestag zu der Gelegenheit, eine 11tägige Dienstreise nach Kalifornien unternehmen zu können. Auf Staatskosten. Grundsätzlich überhaupt kein Problem, sollen sie hin fliegen und schön Politik machen, ein bisschen transatlantische Beziehungen pflegen – ihren Job machen halt. Und wenn dann zwischendurch noch ein wenig Freizeit ist, dürfen sie sich gerne auch noch etwas angucken, bisschen Sightseeing oder Shopping – alles kein Thema.

Aber, liebe Damen und Herren Politiker, dann muss man sich auch vernünftig benehmen und nicht wie die berühmte Axt im Walde. Denn davon hat Kalifornien, wie wir seit den letzten Waldbränden wissen, nicht mehr all zu viel. Also, Wald jetzt, nicht Äxte.

Via „Indiskretion Ehrensache“ bin ich heute auf einen SpON-Artikel (Anmerkung vom 23.6.18: Wegen einer dräuenden EInführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverlage habe ich den Link zum Originalartikel nachträglich entfernt.)  aufmerksam geworden, in denen dokumentiert wird, wie sich eben jene 11 Hinterbänkler im deutschen Konsulat aufgeführt haben. Zitate:

  • Deutlicher wird Randolph Krüger, Sekretär des Ausschusses: „Die Leute vom Konsulat sind wohl gewohnt, betrunkene Touristen aus einer Gefängniszelle zu holen, wissen aber nicht, welchen Service sie für Bundestagsabgeordnete zu leisten haben.“
  • Vor Reiseantritt habe Krüger „wiederholt“ darauf hingewiesen, „dass das Programm bitte nicht mit inhaltlichen Terminen zu überfrachten sei und genug Zeit zur freien Verfügung bleiben möge“, notierte Generalkonsul Schütte.
  • Jene „souveräne Entscheidung“ beim Frühstück, die Termine in Sacramento platzen zu lassen, begründet Widmann-Mauz damit, dass ihnen dort ohnehin nur Gespräche mit Mitarbeitern von Abgeordneten sicher gewesen seien. „Wir legen schon Wert auf Augenhöhe“, sagt die CDU-Frau.

usw. usf.

Bei sowas kommt mir nun wirklich die Galle hoch. Ich will gar nicht die leidige Diskussion um Politiker-Diäten wieder anfachen oder mich über irgendwelche Lobby-Geschichten auslassen, die ja auch genug Stoff böten. Ich möchte viel mehr um ein gewisses Verantwortungsgefühl bitten. Freunde, Ihr repräsentiert Deutschland auf so einem Trip. Gerade wenn man für eine Reise nichts bezahlen muss, weil es eine Dienstreise ist, dann hat man sich entsprechend zu benehmen, basta.

Dann muss eben das persönliche Interesse nach Freizeit und günstigem Shopping hintenanstehen, in erster Linie seid Ihr da, um zu arbeiten. Und, das wollen wir auch nicht vergessen, sonderlich anstrengend ist so ein „Ich-repräsentiere-Deutschland-bei-unseren-amerikanischen-Freunden“-Trip sicher nicht. Informelle Gespräche mit anderen Politikern. Dabei macht sich keiner die Hände schmutzig und die Falten im Hemd kommen höchstens vom ungeduldigen herumrutschen auf dem Konferenzgestühl.

Aber man muss sich nicht unbedingt auf Staatskosten in den Staaten befinden, um für Ärger zu sorgen: Frau Schavan hat kürzlich (Anmerkung vom 23.6.18: Wegen einer dräuenden EInführung eines europäischen Leistungsschutzrechts für Presseverlage habe ich den Link zum Originalartikel nachträglich entfernt.) einen Hubschrauber der Flugbereitschaft angefordert. Für eine (dienstliche) Kurzreise von Stuttgart nach Zürich, bei der die Kosten von 26.500 € in einem leichten Ungleichgewicht zum Preis eines Linienfluges (329 €) stehen.

In dem verlinkten Artikel melden sich eine Ministeriumssprecherin und Unions-Fraktions-Oberhoncho Kauder zu Wort, die u. a. zum besten geben, dass die Termine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einzuhalten gewesen wären. Dazu fällt mir ein, dass es ja durchaus auch die Möglichkeit gibt, die Strecke mit dem Auto zu überbrücken, was auf dem kurzen Stück nun auch nicht so viel länger gedauert hätte. Oder vielleicht hätte man die Termine (ein Redaktionsgespräch mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ und ein Vortrag bei der Deutsch-Schweizer Handelskammer) auch entsprechend disponieren können, dass es eben doch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu schaffen gewesen wäre.

Besonders zynisch finde ich den Satz von Kauder: „Eine Flugbereitschaft muss ja auch fliegen. Sie braucht ja auch Flugstunden.“ – Fliegen um des Fliegens Willen ist sicher nicht das probate Mittel. Die Flugstunden kann ein Pilot sicher auch anderweitig (z. B. auf Übungsflügen) holen.

Mal ein bisschen die Augen auf machen und weiter denken, als von der Wand bis zur Tapete. Dann würden auch weniger Leute auswandern.