Der Selbstmord des Robert Enke ist ein Thema, dass ich eigentlich nicht thematisieren wollte. Nicht, dass ich nicht wahnsinnig beeindruckt wäre von der bundesweiten Anteilnahme an dem Fall, an 35.000 trauernden Fans im Stadion, an Nationalspielern und Teammanagern, die sich trauen, in aller Öffentlichkeit Gefühle zu zeigen und an vielem, was sonst noch rund um den Fall an unerwarteten Sachen passiert ist. Ich WOLLTE seinen Suizid einfach nicht zum Thema machen.
Einerseits, weil ich mich in dem Zusammenhang gern an den Pressekodex halte, der da sagt, dass über Selbstmorde nicht berichtet wird. Andererseits, weil ich persönlich Suizid ganz grundsätzlich und pauschal nicht gutheißen kann. Die Berichterstattung über Enke hat mir ein paar neue Facetten aufgezeigt, so ehrlich will ich sein, aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Selbstmord erstmal ein egoistischer Akt ist, der darauf abzielt, vor den eigenen Problemen und Sorgen zu flüchten. Dass durch den Selbstmord bei anderen Menschen großer seelischer Schmerz, Trauer und – wie im Fall des Lokführers, dessen Zug einen Selbstmörder vielleicht überrollt – lebenslange Schuldgefühle entstehen, wird billigend in Kauf genommen.
Aber ich möchte mich gar nicht in die Diskussion über Selbstmord oder suizidale Gedanken einklinken. Ich habe dazu keine Lust und vor allem soll das auch nicht das Thema dieses Eintrags sein. Das Thema ist die Berichterstattung über den Selbstmord in den Nachrichten der ProSiebenSat1-Gruppe.
Offensichtlich war ein Kamerateam bei den Bergungsarbeiten von Enkes Leichnam zugegen und filmte, als Enkes Frau am Ort des Geschehens auftauchte und verzweifelt versuchte, von einem Polizisten irgendwas über den Zustand ihres Mannes zu erfahren.
Dass der Kameramann draufgehalten hat, okay. Kameraleute sind manchmal ein bisschen merkwürdig, denen fehlt am Ort des Geschehens gerne mal die Distanz, die sind nur auf der Jagd nach den besten Bildern.
Schlimm finde ich, dass Pro Sieben und die Tochtersender der Gruppe diese Bilder in den Nachrichten ausgestrahlt haben. Sowas gehört weggeschnitten und gelöscht, das ist die unterste Schublade des Boulevardjournalismus in Redaktionen, in denen der Pressekodex offensichtlich unter dem kurzen Bein des Schreibtisches liegt, damit das Ding nicht so wackelt.
Mich hat diese Form Berichterstattung, die auch RTL und das ZDF aufgegriffen haben, zutiefst schockiert. Es kann nicht sein, dass auf der Jagd nach immer schnelleren, emotionaleren und quotenträchtigen Bildern die journalistische Ethik auf der Strecke bleibt. Auch wenn Robert Enke unbestritten eine öffentliche Person ist und auch wenn sehr kurz nach dem Suizid schon sehr viele Fans vor Ort waren – oder gerade dann – muss das Fernsehen soviel Würde und Anstand bewahren und der Witwe diesen letzten Rest Privatsphäre lassen. Zumindest so lange, bis sie selber in der Lage ist, sich öffentlich zu äußern, wenn sie das denn will.
Ich habe daher das getan, was ich für notwendig hielt: Ich habe das Portal programmbeschwerde.de benutzt, um bei der zuständigen Landesmedienanstalt Beschwerde gegen den Bericht einzulegen.
Das Portal wird von den Landesmedienanstalten betrieben und gibt Bürgern die Möglichkeit, schnell und unkompliziert Beschwerde über jede Art von Programmbestandteilen einzulegen. Die zuständige Landesmedienanstalt prüft den Vorgang und leitet die entsprechenden Schritte ein.
Ich habe abends gegen zehn den Blogeintrag von Niggemeier gesehen und direkt danach die Seite aufgerufen und das Beschwerdeformular ausgefüllt. Am nächsten Morgen gegen halb zehn hatte ich eine Antwort im Posteingang, wonach die Beschwerde angekommen und weitergeleitet worden sei. Die MABB (Medienanstalt Berlin-Brandenburg) werde sich der Sache annehmen. Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass ich über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet werde.
Zwei Tage später bekam ich wieder eine Mail. Ohne Inhalt, dafür aber mit einem PDF im Anhang. Darin die Nachricht, dass die MABB den Mitschnitt der „Pro Sieben Newstime“ des entsprechenden Tages angefordert habe und in der nächsten Sitzung des zuständigen Ausschusses darüber beraten werde. Dies könne aber einige Zeit dauern, da auch viele weitere Beschwerden eingegangen seien.
Ich bin erstmal massiv beeindruckt davon, wie schnell und wie gründlich ich über den Fortgang meiner Eingabe informiert werde. Astreiner Service, ich fühle mich wesentlich mehr als Kunde ernstgenommen als bei den meisten Dienstleistern, mit denen ich sonst so zu tun habe.
Jetzt bin ich nur noch gespannt, was letztlich dabei herauskommt. Ich werde berichten.
Stell dir vor, die Sender würden die abartigsten Bilder zeigen und keiner schaut hin. Leider sind die Zuschauer nicht besser als die Sender. Bleibt nur die Frage, was zuerst da war.
Es ist wie überall: Eine Nachfrage entsteht, wenn es das Angebot gibt. Die Sender bieten sowas an, das Quotenvieh dankt es ihnen mit Zuwächsen bei den Marktanteilen.