Wie immer am fünften eines Monats ruft Frau Brüllen dazu auf, den eigenen Tag zu dokumentieren.
Ein Sonntag im Pastorat beginnt oftmals wie ein Werktag, nämlich mit dem Wecker um 7.00 Uhr. Duschen, Hunderunde, Frühstück für Mensch und Tier, auch hier alles wie immer. Die Herzdame finalisiert noch die Predigt und ich drucke ihr den Ablauf aus, weil der Drucker in ihrem Büro zickt. Anschließend mache ich Platz in den Badezimmern für Saugfrieds wöchentliche Saug- und Wischmission dort, wünsche der Herzdame einen schönen Gottesdienst und nehme Jörn Schaars feinen Podcast auf. Die Episode ist gerade online, als die Herzdame schon wieder nach Hause kommt.
Wir sprechen kurz über den Gottesdienst und die Pläne für heute. Sie ist noch zum Kaffeetrinken eingeladen und bekommt abends Besuch zum musizieren, ich werde dann ins Kino gehen. Vorher brauche ich dringend einen Mittagsschlaf. Als ich wieder aufstehe, bricht die Herzdame gerade auf. Ich beschäftige mich am Computer, höre Podcast und will mich eben zur nächsten Hunderunde aufraffen, als sie schon wieder da ist und mir das abnimmt. Ich putze derweil die Küche.
Kurz vor 18.00 gehe ich los zum Bahnhof. Viel zu früh, denn der Film fängt erst um 20.30 an. Aber ich möchte vorher noch zu dem türkischen Restaurant im Bahnhof und zu Abend essen. Das wäre mir mit der nächsten Abfahrt eine Stunde später zu knapp geworden, weil ich um 19.50 am Hauptbahnhof ankommen würde. Zwar sind sowohl das Restaurant als auch das Kino im Bahnhof, aber die Perspektive 40 Minuten zum Essen, Getränke kaufen und Platz suchen zu haben, klingt eher so mittel. Letztlich hätte es durchaus gepasst, denn der Werbeblock war extralang. So sitze ich noch 45 Minuten im Foyer des Kinos, höre Podcast und beobachte Leute. Herrenhandtaschen scheinen gerade ein Ding in dem Teil der männlichen Bevölkerung zu sein, die in Jogginghose ins Kino geht. Komisches Bild: Einerseits betont Gangsta-Attitüde, andererseits Handtäschchen mit fast filigranen Riemen über der Schulter. Aber quer, wie diese Messengerbags, die Tasche selbst trägt Mann dabei auf dem unteren Rücken, nicht an der Hüfte. An sich ist das irgendwie schlüssig: Wer in Jogginghose raus geht, muss Handy, Portemonnaie und Schlüssel irgendwo unterbringen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Hose rutscht.
In Saal 2 gibt es „Civil War“. Wir begleiten Kriegsberichterstatter auf ihrer Suche nach den besten Fotos quer durch die USA, die sich in einem Bürgerkrieg befinden. Dabei gibt es nichts zu lachen, wenig Schönes, nur den Wahnsinn, der Krieg ist. Die einen sterben, die anderen fotografieren, bis sie selbst sterben. Bedrückend. Der Film liefert keine Erklärung für den Bürgerkrieg und am Ende keine Perspektive, keine Lösung. Wer „gut“ und wer „böse“ ist, spielt keine Rolle. Der Film stellt keine Fragen und gibt keine Antworten, er ist gewissermaßen selbst Berichterstatter und dokumentiert nur.
Nach dem Film ein kurzer Schreckmoment am Bahnsteig: Der nächste Zug aus dem Hauptbahnhof fährt erst gegen 6.00 Uhr. Ich erinnere mich an angekündigte Bauarbeiten und steige in den Bus, der mich zwei Bahnhöfe weiter fährt. Am nächsten Halt stehen wir länger als üblich, der Schaffner fragt, wie weit ich noch fahren will, sagt aber nicht wieso.
Zuhause stelle ich noch den Müll an die Straße. Papier, Rest- und Biomüll sind morgen dran. Die Herzdame hat die letzte Hunderunde erledigt und schläft schon, als ich damit fertig bin. Schlafen kann ich noch nicht, auch weil mir auf der Heimfahrt noch eine Smarthome-Idee gekommen ist: Wenn wir fernsehen, spiegelt sich immer eine der Wohnzimmerlampen im Fernseher. Die haben wir bisher wie so wilde Tiere per Hand ausgeschaltet. Mit der neuen Automation geht sie aus, sobald der Chromecast mit dem Streaming beginnt, und wieder an, wenn wir das Streaming stoppen. Das muss ich noch kurz ausprobieren, bis Fräulein Hund aus dem Schlafzimmer getapst kommt und im Wohnzimmer steht, als wollte sie fragen, wo ich denn bleibe. Recht hat sie, es ist schon nach Mitternacht und der Wecker klingelt um 7.00 Uhr.